Teile einer DDR-Satire in falschem Kontext verbreitet

9.6.2021, 17:17 (CEST)

Hatte Erich Honecker einen auf 20 Jahre angelegten Plan mit dem Ziel, ein vereintes Deutschland zu sabotieren? Ein rund vierminütiges Youtube-Video (hier archiviert) wird auf Facebook verbreitet. Im Stil einer Dokumentation mit Sprecher und Berichten von Zeitzeugen sowie Experten wird vermittelt, Honecker habe die Öffnung der Mauer zwischen Ost- und Westdeutschland veranlasst, um die Bundesrepublik durch die entstehenden Kosten finanziell zu ruinieren. So seien auch die Wahl Angela Merkels zur Bundeskanzlerin sowie die Finanzkrise von Honecker weit vorab geplant worden.

Bewertung

Das Video ist ein aus seinem ursprünglichen satirischen Kontext gerissener Zusammenschnitt. Es handelt sich nicht um einen Dokumentarfilm, die Inhalte sind fiktional. Experten und Zeitzeugen werden von Schauspielern dargestellt.

Fakten

Das rund vierminütige Video ist ein Aus- und Zusammenschnitt der rund 31-minütigen Satire «Der schwarze Kanal kehrt zurück» der Autoren Werner Martin Doyé und Andreas Wiemers aus dem Jahr 2009. Ausgestrahlt wurde die Persiflage eines historischen Dokumentarfilms erstmals am 20. Jahrestag des Mauerfalls, dem 9. November 2009, im ZDF. Der rund vierminütige Ausschnitt gibt dabei zwei zusammengeschnittene Elemente der Satire (hier archiviert) wieder – etwa von Minute 22:21 bis 24:01 und von Minute 26:55 bis 29:25.

Zu Beginn des vollständigen Werkes wird der Hinweis eingeblendet, die Geschichte sei frei erfunden. Nach 1:40 Minuten wird außerdem «Achtung Satire! Die Geschichte der DDR wie sie wirklich war…» als Untertitel des Films gezeigt.

Die O-Töne werden nicht von tatsächlichen Experten und Zeitzeugen beigesteuert; stattdessen berichten von Schauspielern dargestellte fiktive Personen. Die real nicht existierende Historikerin Regine Lauterbach etwa wurde von Edelgard Hansen gespielt; der fiktive Chauffeur Honeckers mit Namen Günther Herrmann von Gerd Opitz. Die Schauspieler werden am Ende des Original-Films einzeln vorgestellt.

Kombiniert werden die fiktiven Elemente mit zeitgeschichtlich korrekten, aber aus ihrem eigentlichen Kontext gerissenen Bildern, etwa von Erich Honecker oder Helmut Kohl.

Der Titel des Original-Films «Der schwarze Kanal kehrt zurück» suggeriert, dass es sich um eine Fortsetzung der DDR-Fernsehsendung «Der schwarze Kanal» handelt. Dies ist nicht der Fall, in die Satire von 2009 wurden lediglich Ausschnitte der zwischen 1960 und 1989 ausgestrahlten Sendung geschnitten. Karl-Eduard von Schnitzler, der die fiktive Dokumentation scheinbar einleitet, war zwar tatsächlich Moderator der DDR-Sendung. Er starb jedoch bereits im Jahr 2001.

Dokumentiert wird das Werk unter anderem von Rezensionen der Süddeutschen Zeitung (hier archiviert) sowie einer Nominierung für den Adolf Grimme-Preis 2010 (hier archiviert).

(Stand: 7.6.2021)

Links

Youtube-Video (archiviert)

Vimeo-Video «Der schwarze Kanal kehrt zurück» (archiviert)

Edelgard Hansen (archiviert)

Gerd Opitz (archiviert)

Rezension der SZ (archiviert)

Nominierung Adolf-Grimme-Preis (archiviert)

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