Furchtlosigkeit schützt nicht vor Viren

08.06.2021, 15:39 (CEST)

Können Viren einem kaum etwas anhaben, wenn man keine Angst vor ihnen hat? Eingeleitet von einer Anekdote zu einem angeblichen wissenschaftlichen Experiment wird das in mehreren Beiträgen auf Facebook, etwa hier (archiviert) behauptet. Auch einige Blogs haben die Behauptung verbreitet.

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Die Behauptung ist falsch, so Forscher. Keine Angst zu haben schützt nicht vor Virusinfektionen und auch nicht vor einem schweren Krankheitsverlauf nach einer Infektion. Wissenschaftliche Studien belegen allerdings, dass chronischer Stress das Immunsystem schwächt.

Fakten

Wissenschaftlich belegt seien zwar Auswirkungen von Stress auf das Immunsystem, teilt Silvia Capellino vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der Technischen Universität Dortmund der Deutschen Presse-Agentur (dpa) auf Anfrage mit. «Das bedeutet trotzdem leider nicht, dass furchtlos zu sein gegen Viren schützt», so Capellino.

Die Neuroimmunologin forscht zu Einflüssen der Psyche auf das Immunsystem. Dabei hat sich in einer Studie des Instituts herausgestellt, dass kurzfristiger Stress, etwa vor einer Prüfung, das Immunsystem sogar stärkt. Konstanter Stress scheint hingegen das Immunsystem zu schwächen. Wie genau das funktioniert versuchen Forscher des Instituts gerade herauszufinden. In beiden Fällen ist Stress aber nur einer von vielen Einflüssen auf die Immunreaktion des Körpers.

Bezogen auf das Coronavirus teilte Manfred Schedlowski, Direktor des Instituts für Medizinische Psychologie und Verhaltensimmunbiologie an der Universität Essen, der dpa mit, es existiere mit absoluter Sicherheit kein funktioneller Zusammenhang zwischen Angst und dem Infektionsrisiko bei Sars-Cov-2. Weder mache Angst vor dem Virus infektionsanfälliger «noch schützt "keine" Angst in irgendeiner Form vor dem Virus». Da es keinerlei Hinweise auf diesen Zusammenhang gibt, existieren dem Experten zufolge auch keine wissenschaftlichen Studien dazu.

In dem Beitrag wird außerdem behauptet, Menschen könnten vor Angst sterben. In äußerst seltenen Fällen kann das tatsächlich passieren, wie mehrere Mediziner in einem Artikel der American Heart Foundation bestätigen. In diesen Fällen reagiert der Körper aber auf eine plötzliche, extrem starke Angst mit einer starken Ausschüttung des Stresshormons Adrenalin. Belege für einen langsamen Tod durch dauerhafte Angst wie in dem Facebook-Beitrag behauptet gibt es hingegen nicht.

(Stand: 7. Juni 2021)

Links

Beitrag auf Facebook (archiviert)

Beitrag auf Facebook(archiviert)

Blogeintrag(archiviert)

Blogeintrag (archiviert)

Professor Manfred Schedlowski bei der Universität Essen(archiviert)

Professorin Silvia Capellino beim Leibinz-Institut für Arbeitsforschung(archiviert)

Studie zu Einfluss von Stress vor Prüfungen auf das Immunsystem(archiviert)

Studien zum Einfluss von Stress auf die Immunreaktion(archiviert)

American Heart Foundation über das Sterben vor Angst(archiviert)

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