Der Inzidenzwert steigt bei mehr Tests nicht automatisch

7.5.2021, 15:36 (CEST)

Seit Beginn der Corona-Pandemie sind Wörter wie «Inzidenzwert» und «Positivrate» nicht mehr aus den Medien wegzudenken. Auch staatliche Maßnahmen werden mit den Zahlen begründet. Aber kann die Inzidenz allein dadurch steigen, dass mehr getestet wird, wie es auf einem auf Facebook kursierenden Sharepic behauptet wird (hier archiviert)?

BEWERTUNG: Die Inzidenz steigt nicht automatisch, wenn mehr getestet wird. Der Beitrag ist irreführend.

FAKTEN: Mit der sogenannten Inzidenz gibt das Robert Koch-Institut die Zahl der Corona-Fälle der letzten sieben Tage pro 100 000 Einwohner an. Um sie zu errechnen, wird die Zahl der positiven Tests innerhalb einer Woche durch die Anzahl der Einwohner geteilt und mit 100 000 multipliziert.

Die Berechnungen auf dem Sharepic sind richtig: Werden nur 1000 von 100 000 Einwohnern getestet und davon fünf positiv, liegt die Inzidenz bei fünf, die Positivrate bei 0,5 Prozent. Fallen von 10 000 Tests 50 positiv aus, liegt die Inzidenz bei 50, während die Positivrate bei 0,5 Prozent bleibt. Werden alle 100 000 Einwohner getestet und 500 sind positiv, liegt die Inzidenz bei 500, die Positivrate weiterhin bei 0,5 Prozent.

Allerdings würde das obige Rechenbeispiel nur dann funktionieren, wenn die Infektionen gleichmäßig auf die Bevölkerung verteilt und die Tests somit repräsentativ wären. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn die Tests als Stichproben in einer einer nach demografisch-wissenschaftlichen Standards ausgewählten Testgruppe durchgeführt würden, was es aber so während der Corona-Pandemie nicht gab. Es stimmt in der Realität nicht, dass mehr Tests automatisch zu mehr Positiven und damit zu einer höheren Inzidenz führen. Auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung schreibt, dass viele Tests nur die Realität, also die Dunkelziffer aufdecken - und nicht automatisch zu höheren Fallzahlen führen.

Die Zahl der durchgeführten Tests ist in Deutschland in den vergangenen Wochen auf etwa gleichbleibend hohem Niveau, während der Anteil der positiven Tests zunächst gestiegen ist und sich seit vier Wochen zwischen knapp 11 und etwas über 12 Prozent bewegt. In der letzten Februarwoche 2021 wurden laut Robert Koch-Institut (RKI) in Deutschland beispielsweise 1,17 Millionen Tests durchgeführt. Davon waren mehr als 72 000 positiv - was einer Positivrate von rund sechs Prozent entspricht. In der letzten Aprilwoche wurden knapp 166 000 Tests mehr durchgeführt, also 1,34 Millionen. Positiv fielen dabei knapp 150 000 Tests aus - das entspricht einer Positivrate von gut 11 Prozent. Während die Anzahl der Tests um nur knapp 15 Prozent stieg, verdoppelte sich der Anteil der positiv Getesteten fast.

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Links:

«Süddeutsche Zeitung» zur Berechnung der Inzidenz: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/coronavirus-sieben-tage-inzidenz-berechnen-1.4909107?reduced=true (archiviert: https://archive.ph/Myefv)

RKI-Lagebericht vom 5. Mai 2021: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Mai_2021/2021-05-05-de.pdf?__blob=publicationFile#page=10 (archiviert: http://dpaq.de/4as46)

BZgA zur Aussagekraft von Fallzahlen in Verbindung mit vielen Tests: https://www.infektionsschutz.de/coronavirus/schutzimpfung/fragen-und-antworten/impfmythen.html#faq4812 (archiviert: https://archive.is/IKHgl#35%)

Beitrag auf Facebook: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=954906495313511&set=a.138555423615293&type=3 (archiviert: https://archive.is/kMoqq)

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