Grüne planen keine jährliche Begrenzung privater Autofahrten
7.5.2021, 13:46 (CEST)
Nach der Bundestagswahl 2021 wollen die Grünen Regierungsverantwortung übernehmen. Dafür haben sie Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin aufgestellt und ein Wahlprogramm vorgelegt. Gehört dazu auch eine Regelung, wie oft Bürger ihr Auto in Zukunft benutzen dürfen? Dies wird in einem Facebookpost behauptet (hier archiviert). «Bürger sollen Auto nur noch 12 Mal jährlich privat nutzen dürfen!!», heißt es. Gibt es diese Idee und stammt sie tatsächlich von den Grünen?
BEWERTUNG: Die Idee stammt von einer privaten Initiative, sie ist kein Projekt aus der Feder der Grünen. Diese fordern in ihrem Wahlprogramm keine Begrenzung auf zwölf Fahrten - allerdings die Möglichkeit für «verkehrsberuhigte oder autofreie Innenstädte».
FAKTEN: Die Initiative «Volksentscheid Berlin autofrei» gibt es seit 2020. Sie setzt sich dafür ein, den Autoverkehr innerhalb des Berliner S-Bahn-Rings weitgehend einzuschränken. Einem Entwurf der Initiative zufolge sollen beispielsweise Bürger in dem Abschnitt nur noch zwölf Mal im Jahr Auto fahren dürfen.
Es handele sich um eine «Gruppe von Privatpersonen», heißt es auf der Website der Initiative, und zudem: «Wir sind unabhängig von Verbänden oder Organisationen, unabhängig von staatlichen Geldern und sind parteipolitisch neutral». Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) teilte ein Sprecher der Initiative mit: «Von den ca. 15 Initiator*innen war keine*r Mitglied der Grünen».
Der Sprecher teilte weiter mit: «Der Volksentscheid Berlin autofrei kritisiert deutlich die Pläne aller Parteien in Berlin, auch von Grünen und Linken, die aktuell an der Regierung beteiligt sind». Die Programmatik der Grünen widerspreche zum Teil erheblich den Zielen des Volksentscheids: «Grüne Instrumente zur Begrenzung des Autoverkehrs, z.B. eine City-Maut lehnt die Initiative als sozial ungerecht ab».
Das Portal T-Online berichtete angesichts der radikalen Forderungen auch über Zweifel beim verkehrspolitischen Sprecher der Grünen im Berliner Senat; andere Grüne haben ihre Zustimmung signalisiert.
Als verantwortlich im Impressum der Homepage zum Volksentscheid wird Ludwig Lindner genannt - er ist Mitglied der Linken im Bezirksverband Neukölln. Er bekleide «dort jedoch weder ein Amt noch ein Mandat», teilte der Sprecher der Initiative der dpa mit. «Er ist nicht mehr im Leitungs- und Koordinationskreis und auch nicht mehr als Pressesprecher aktiv.»
Die Initiative ist also kein Projekt der Grünen. Die pauschale Behauptung, Bürger dürften im Fall eines Wahlerfolgs der Grünen nur noch zwölf Mal im Jahr ihr Auto nutzen, ist demzufolge falsch.
Im Programmentwurf der Grünen zur Bundestagswahl, der im Juni verabschiedet werden soll, ist von einer solchen Regelung nirgends die Rede - allerdings wollen die Grünen es Städten erleichtern, «verkehrsberuhigte oder autofreie Innenstädte» zu schaffen.
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Links:
Post mit Sharepic: https://www.facebook.com/bettina.felicianopedro/posts/4850418574984707 (archiviert: https://archive.vn/ARJZx)
Seite der Initiative: http://volksentscheid-berlin-autofrei.de/ (archiviert: http://dpaq.de/lni2j)
Gesetzesentwurf zur Idee der Initiative: http://volksentscheid-berlin-autofrei.de/presse/downloads/VE_Berlin_autofrei_2021_02_17_Gesetzentwurf.pdf (archiviert: https://perma.cc/NTA7-CHSB)
Artikel zur Initiative:
https://taz.de/Volksentscheid-Berlin-autofrei/!5747409/ (archiviert: http://dpaq.de/AcQUD)
https://www.t-online.de/region/berlin/news/id_89860992/berlin-initiative-will-berlin-bis-2027-autofrei-machen-idee-umstritten.html (archiviert: http://dpaq.de/FJDjd)
https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/klippe-umschifft-rechtsexperte-lobt-gesetzentwurf-fuer-weniger-autos-in-berlin-li.153480(archiviert: http://dpaq.de/I8qzh)
Programmentwurf der Grünen zur Bundestagswahl 2021: https://cms.gruene.de/uploads/documents/2021_Wahlprogrammentwurf.pdf#page=20 (archiviert: http://dpaq.de/xuqb0)
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