Gesundheitsämter gleichen Daten ab, um doppelte Meldungen an das RKI auszuschließen

03.03.2021, 16:23 (CET)

Sind die offiziellen Corona-Fallzahlen in Deutschland durch mehrfache Meldungen einzelner Fälle möglicherweise viel zu hoch - und daher «völlig falsch»? Das legen zumindest Facebook-Postings (hier archiviert) und Artikel (hier archiviert) nahe, die ein Video mit Aussagen einer Ärztin aus Rheinland-Pfalz verbreiten (hier archiviert). Deren Behauptung lautet: Jedes weitere positive Testergebnis in kurzem zeitlichen Abstand bei derselben Person werde als einzelne Neuinfektion an das Robert Koch-Institut (RKI) gemeldet. Was ist dran an den Vorwürfen?

BEWERTUNG: Die Gesundheitsämter geben nicht jedes einzelne positive Testergebnis als Neuinfektion weiter, sondern stufen einzelne Personen als Fälle ein - die dann an die Landes- und Bundesbehörden übermittelt werden. Dieser Zwischenschritt fehlt bei den Behauptungen. Häufig wiederholten Tests werden zudem nur bei wenigen Infizierten durchgeführt.

FAKTEN: Infektionen mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 sind in Deutschland meldepflichtig. Stellen Ärzte oder Labors eine solche Infektion fest, müssen sie die Behörden darüber informieren. Allerdings werden diese Meldungen nicht direkt bei der zentralen Bundesbehörde, also dem Robert Koch-Institut (RKI) eingereicht. Dieses ermittelt und veröffentlicht zwar bundesweite Fallzahlen, ist dabei aber auf die Gesundheitsämter der Kommunen und zum Teil auch auf Landesbehörden angewiesen.

In dem konkreten Video ist eine Ärztin aus dem Landkreis Bad Dürkheim in Rheinland-Pfalz zu sehen. Sie erwähnt einen Schriftverkehr mit dem Robert Koch-Institut, das ihr bestätigt habe, dass anonyme Meldungen jedes Mal als Neuinfektion aufgenommen würden - auch «von jemandem, der zum Beispiel zum sechsten Mal zum Test gekommen ist». Und: «Wenn die dann wöchentlich kommen geht also jedes Mal eine Meldung vom Labor an das Gesundheitsamt und vom Gesundheitsamt anonymisiert zum Robert Koch-Institut», behauptet die Ärztin.

Die genauen Angaben des RKI gegenüber der Ärztin lassen sich nicht überprüfen. Tatsache ist, dass das RKI anonymisierte Meldungen ohne Angaben zur Person erhält. Dort kommen also keine Namen von positiv getesteten Bürgern an, sondern Fallzahlen.

Alle Fälle aus den Gesundheitsämtern werden anonymisiert an das RKI weitergegeben. So auch im Landkreis Bad Dürkheim, wie Silke Basenach, die Leiterin des dortigen Gesundheitsamts, auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) bestätigte: «Wir bekommen Meldungen über positive Testergebnisse von Ärzten und Laboren. Diese legen wir dann in einer Software an und gleichen die identifizierenden Daten ab. Eine Person kann dabei nicht zweimal als Fall angelegt werden.» So wird demnach ausgeschlossen, dass ein möglicherweise kurz darauf ermitteltes weiteres positives Testergebnis für dieselbe Person zu einem gänzlich neuen Fall wird.

Die Gesundheitsämter stehen in der Meldekette zwischen Ärzten und dem RKI und sortieren gewissermaßen doppelte Testergebnisse aus - was im Video jedoch nicht erwähnt wird. In Rheinland-Pfalz steht als weiterer Akteur zudem das Landesuntersuchungsamt in der Meldekette, das Zahlen für das gesamte Bundesland ermittelt und dann an das RKI weitergibt.

Wichtig ist die Unterscheidung, die in den Gesundheitsämtern vorgenommen wird - zwischen Meldungen über positive Testergebnisse und konkreten Fällen, also den Infizierten. Machen die Gesundheitsämter dabei keinen Fehler, sind auch die Zahlen des RKI präzise.

Darüber hinaus täuscht auch der Eindruck, den die Ärztin im Video vermittelt, dass viele Menschen mehrmals getestet werden. Wie Gesundheitsamtsleiterin Basenach erläuterte, beträfen Mehrfachtestungen nur bestimmte Infizierte, da man sich an den vom RKI formulierten Entlassungskriterien für positiv getestete und dementsprechend unter Quarantäne gestellte Menschen orientiere.

Das RKI empfiehlt nur für bestimmte Personengruppen weitere Tests am Ende der Isolierungszeit, etwa für Bewohner von Alten- und Pflegeheimen. Zumeist gilt: «Bei leichten Verläufen oder Symptomlosen endet die Isolierung meist, ohne dass ein weiterer Test vorgenommen wird», so Basenach. Allerdings könnten Haus- oder Betriebsärzte auch selbst weitere Tests durchführen. Fallen diese positiv aus, gehen aber auch diese Ergebnisse aufgrund der Meldepflicht an die Gesundheitsämter, die dann die persönlichen Daten der Getesteten abgleichen.

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Links:

§ 7 Infektionsschutzgesetz zur Meldepflicht: https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__7.html (archiviert: https://archive.vn/G4qZg)

RKI-Dashboard mit Corona-Fallzahlen: https://experience.arcgis.com/experience/478220a4c454480e823b17327b2bf1d4 (archiviert: https://archive.vn/Uki3V)

Grafik mit Meldeweg in der «Apotheken Umschau», via RKI (12/2017): https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Infografik_Meldesystem_IfSG.pdf?__blob=publicationFile (archiviert: http://dpaq.de/YVpdE)

Fallzahlen des Landesuntersuchungsamts Rheinland-Pfalz: https://lua.rlp.de/de/presse/detail/news/News/detail/coronavirus-sars-cov-2-aktuelle-fallzahlen-fuer-rheinland-pfalz/ (archiviert: https://archive.vn/Om337)

Entlassungskriterien des RKI für Isolierte: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Entlassmanagement-Infografik.pdf?__blob=publicationFile (archiviert: http://dpaq.de/3PYiv)

Video auf Facebook: https://www.facebook.com/jannie.lindeque/posts/10221768669459169 (archiviert: https://archive.vn/Zqwvb; Video: http://dpaq.de/qYjqr)

Artikel auf «Journalistenwatch»: https://www.journalistenwatch.com/2021/02/28/rki-betrug-pyramide/ (archiviert: https://archive.vn/yHnqC)

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