Zahlen zu Corona-Tests und falsch-positiven Ergebnissen sind falsch oder unbelegt

05.03.2021, 11:12 (CET)

Eine vermeintlich einfache Rechnung wird derzeit in einem Sharepic auf Facebook herumgereicht (hier archiviert): Sie bezieht sich auf vermeintliche Angaben des Robert Koch-Instituts zu einer behaupteten «Fehlerquote» von zwei Prozent bei Corona-Tests und angeblich 340 000 Tests pro Tag. Daraus ergebe sich, so die Behauptung: Allein falsch-positive Testergebnisse würden für einen Corona-Inzidenzwert von fast 60 sorgen.

BEWERTUNG: Die für die Berechnung genutzten Werte sind unbelegt oder falsch interpretiert worden. Zudem ist die Angabe des Robert Koch-Instituts als Quelle in einem Fall durch nichts belegt.

FAKTEN: Für die pauschale Aussage, Corona-Tests hätten eine «Fehlerquote» von zwei Prozent, gibt es keine Belege. Auf den Seiten des als Quelle angegebenen Robert Koch-Instituts (RKI) finden sich keine derartigen Zahlen. Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) verweist das RKI lediglich auf seine Angaben in einem FAQ-Artikel zum Coronavirus. Darin schreibt das Institut: «Aufgrund des Funktionsprinzips von PCR-Tests und hohen Qualitätsanforderungen liegt die analytische Spezifität bei korrekter Durchführung und Bewertung bei nahezu 100%.»

Die Spezifität ist für Tests das Qualitätsmerkmal, mit dem der Anteil der falsch-positiven Testergebnisse angegeben wird. Eine Spezifität von 98 Prozent bedeutet, dass bei Testung von 100 Menschen ohne Infektion fälschlicherweise bei zweien doch eine erkannt wird - es also zwei sogenannte falsch-positive Ergebnisse gibt. Sind Infektionen in der untersuchten Gruppe stärker verbreitet, hat die gleichbleibende Spezifität geringere Auswirkungen: Sind 50 Menschen infiziert, wird von den 50 Nicht-Infizierten bei einer Spezifität von 98 Prozent nur noch einer ein falsch-positives Ergebnis erhalten.

Verlässliche Zahlen über einen angeblichen Anteil falsch-positiver Ergebnisse von zwei Prozent gibt es jedoch nicht. Wie das RKI schreibt, nehmen Labore zwar an sogenannten Ringversuchen teil - ein entsprechendes Ergebnis mit dieser Zahl hat es dabei aber nicht gegeben. Große Laborbetreiber wie zum Beispiel die Firma Bioscientia betonen zudem, dass die Spezifität ihrer Tests noch einmal deutlich höher liegt: bei 99,99 Prozent. Um einen solchen Wert zu erreichen, setzt Bioscientia auf mehrere sogenannte Primer beim PCR-Verfahren. Das bedeutet, dass der Test verschiedene Virusgene «ins Visier nimmt» und durch diese Kombination eine höhere Spezifität hat als bei der Suche nach einzelnen Virusgenen.

Auch wenn konkrete Daten fehlen, erscheint also zweifelhaft, dass der Anteil falsch-positiver Tests derart hoch liegt wie im Facebook-Sharepic behauptet. Darüber hinaus ist der zweite zur Berechnung herangezogene Wert falsch: In den Corona-Lageberichten des RKI wird die Zahl der tatsächlich durchgeführten PCR-Tests seit Jahresbeginn meist mit einem Wert von wöchentlich rund 1,1 Millionen angegeben. Das bedeutet im täglichen Schnitt eine deutlich kleinere Zahl als auf Facebook behauptet. In der siebten Kalenderwoche 2021 etwa waren es pro Tag im Schnitt nur rund 153 000 Tests.

Der Wert 340 000 entspricht eher den vom RKI genannten Testkapazitäten, die seit Monaten in diesem Bereich liegen. Sie geben aber nur an, wie viele Tests die Labore theoretisch durchführen könnten.

Die zwei zentralen Zahlen in der auf Facebook verbreiteten Berechnung einer durch falsch-positive Ergebnisse angeblich verzerrten Inzidenz sind also falsch oder unbelegt. Auch wenn genaue Zahlen zum Anteil falsch-positiver Ergebnisse nicht vorliegen, dürfte deren Effekt auf die Inzidenz deutlich kleiner sein als behauptet.

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Links:

RKI zu falsch-positiven Testergebnissen: https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html#:~:text=Welche%20Rolle%20spielen%20falsch-positive%20Testergebnisse (archiviert: https://archive.vn/NNC2U#selection-4913.0-4913.52)

Hintergrund zu Spezifität und Sensitivität: https://statistikguru.de/lexikon/sensitivitaet-und-spezifitaet.html (archiviert: https://archive.vn/kJAw7)

Laborbetreiber Bioscientia zu PCR-Tests (21.08.2020): https://www.bioscientia.de/home/aktuelles/2020/08/wie-zuverlaessig-ist-der-pcr-nachweis (archiviert: https://archive.vn/plrrS)

RKI-Lagebericht mit Zahlen zu durchgeführten Tests (24.02.2021): https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Feb_2021/2021-02-24-de.pdf?__blob=publicationFile#page=10 (archiviert: http://dpaq.de/Yv4vN)

RKI-Tabelle u.a. mit Testkapazitäten (Excel-Download): https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Testzahlen-gesamt.xlsx?__blob=publicationFile (archiviert: http://dpaq.de/tIi4J)

Beitrag auf Facebook: https://www.facebook.com/katja.schneidt/posts/3726094630791954 (archiviert: https://archive.vn/vnXM8)

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