Saharastaub färbte den Stuttgarter Himmel gelb - nicht Schwefelsäure
25.3.2021, 13:25 (CET)
Trübe Aussichten? Bei Facebook geht ein Foto um, das den Himmel über Stuttgart in einem intensiven Gelbton zeigt (hier archiviert). Im flankierenden Post findet sich die Behauptung: «Nicht nur "Saharastaub", auch SCHWEFELSÄURE färbt die Wolken und den Nebel gelb bis orangerot». Die Säure, so heißt es weiter, verschatte die Sonne und sorge so für eine Abkühlung der Atmosphäre. «Man glaubt, auf diese Weise den erfundenen Klimawandel reduzieren zu können.»
BEWERTUNG: Von starken Winden herbeitransportierte Saharastäube - nicht eigens ausgebrachte Schwefelsäure - färbte im Februar den Himmel über Süddeutschland gelblich. Tatsächlich nimmt natürlich vorkommende, farblose Schwefelsäure Einfluss auf Atmosphäre und Klima. Wollte man diesen Effekt verstärken, müssten enorme Mengen Schwefelsäure verteilt werden, Experten halten dies für abwegig.
FAKTEN: «Über Deutschland haben wir im Durchschnitt an 30 bis 100 Tagen im Jahr Saharastaub in der Luft - meist allerdings in kaum oder gar unsichtbaren Konzentrationen», erklärte Harald Flentje, Aerosolwissenschaftler beim Deutschen Wetterdienst (DWD).
Anfang Februar des Jahres habe dann aber eine Verkettung verschiedener Wetterereignisse dazu geführt, dass gelblich-brauner Staub in großer Menge nach Deutschland kam: Starke Winde und ein Tiefdruckgebiet über Südwesteuropa sorgten dafür, dass der aufgewirbelte Saharastaub mit dem Höhenwind über das Mittelmeer bis nach Deutschland gelangte.
Dort färbte er vor allem im Süden des Landes den Himmel gelblich ein. Ein solches Phänomen sei «völlig ungefährlich und normal, seit Jahrtausenden bekannt», so Flentje. Das belegen auch andere und ältere Fotos, die im Netz kursieren (etwa hier und hier).
Die im Post veröffentlichte Behauptung, in den Himmel gesprühte Schwefelsäure bewirke die Gelbfärbung, bezeichnet Flentje als realitätsfern: «Schwefelsäure ist farblos und kommt in der Atmosphäre gasförmig in sehr geringen Konzentrationen vor. Das Gas ist gut wasserlöslich und kondensiert darum rasch zu weißlichen Sulfatpartikeln. Durch ihre hohe Albedo, also Helligkeit, tragen sie in der Tat global gesehen zur Abkühlung der Atmosphäre bei.»
Sulfat als Maßnahme gegen den Klimawandel auszubringen, mache trotzdem keinen Sinn. «Das wäre ein technisches Unterfangen gewaltiger Größe, verbunden mit nicht einschätzbaren Risiken und Rückkoppelungen sowie einhergehenden Umweltverschmutzungen - und ist damit völlig unwirtschaftlich und abwegig», so der Fachmann.
Der Aerosolwissenschaftler hält es für denkbar, dass beim Facebook-Posting einige Dinge durcheinandergeraten sind. «Denn tatsächlich kamen Ende Februar mit einem kräftigen Saharastaub-Transport auch höhere Konzentrationen von Schwefeldioxid und Schwefelsäure nach Deutschland.»
Diese aber wurden, so Flentje, vom Vulkan Ätna auf Sizilien in die Luft gepustet, nicht von Geoingenieuren. Außerdem sei der Schwefelanteil darin definitiv unsichtbar gewesen.
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Links:
Beitrag auf Facebook: https://www.facebook.com/patricia.henk.9/posts/4953441364725951 (archiviert: https://archive.vn/80UUa)
Informationen zu Harald Flentje: https://www.arcus.org/researchers/38461/display (archiviert: https://web.archive.org/web/20210325121125/https://www.arcus.org/researchers/38461/display)
Uni Heidelberg über Schwefelkreislauf und Einfluss auf das Klima: http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/536/5/4_Kap_2.pdf (archiviert: https://web.archive.org/web/20210325122024/http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/536/5/4_Kap_2.pdf)
Bilder vom Saharastaub in Bayern, 2004: http://www.sturmwetter.de/texte/210204.htm (archiviert: https://archive.is/O5hOB)
Bilder vom Saharastaub in der Schweiz: https://twitter.com/brunello1950/status/1358039981961465856 (archiviert: https://archive.is/Jo0p3)
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