Altmaiers vermeintliches «Arbeitsplatz»-Versprechen: Aussage sinnentstellend gekürzt

17.02.2021, 09:23 (CET)

Seit Monaten wird Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier immer wieder ein erfundener Satz über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Jobs in Deutschland in den Mund gelegt. «Kein einziger Arbeitsplatz geht wegen Corona verloren», soll der CDU-Politiker in einer Talkshow Mitte März 2020 versprochen haben. Seitdem wird das vermeintliche Zitat regelmäßig aufgewärmt, auch Anfang 2021 wieder (hier archiviert).

BEWERTUNG: Das ist eine sinnentstellende Zuspitzung, die nicht der Tatsache entspricht. Altmaier formulierte vielmehr das Anliegen der Bundesregierung, «dass wir alles tun, dass kein Arbeitsplatz (...) verloren geht».

FAKTEN: In der Talksendung «Hart aber fair» umreißt Wirtschaftsminister Altmaier am 16. März 2020 die Vorhaben der Bundesregierung in der Corona-Pandemie. Mit Blick auf die finanziellen Mittel Deutschlands sagt er konkret: «Wir haben so viele Reserven, dass wir versprechen können, dass wir alles tun, damit kein Arbeitsplatz und kein gesundes Unternehmen wegen Corona schließen muss und verloren geht.» (Ganze Sendung abrufbar bis 16.03.2021, Zitat ab 1:00 Min.)

Altmaier formulierte damals also ein Ziel der Bundesregierung. Ein Versprechen, dass «kein Arbeitsplatz verloren geht», gab er in der Sendung nicht.

Seit Ausstrahlung der «Hart aber fair»-Folge sind mehrere verkürzte und sinnentstellende Varianten seiner tatsächlichen Aussage zu finden. Dem Minister werden fälschlicherweise unter anderem folgende Sätze zugeschrieben:

  • «Kein einziger Arbeitsplatz geht wegen Corona verloren.» (hier)
  • «Wegen Corona geht kein einziger Arbeitsplatz verloren.» (hier)
  • «Kein Arbeitsplatz muss wegen Corona verloren gehen.» (hier)
  • «Wir haben so viele Reserven, dass wir versprechen können, dass kein einziger Arbeitsplatz wegen Corona verloren geht!» (hier)

In einem Interview mit der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» wiederholte der Minister am 28. März 2020 sein Statement aus «Hart aber fair»: «Wir handeln als Staat, damit wegen der Corona-Pandemie kein Unternehmen insolvent werden und kein Arbeitsplatz entfallen muss.»

Zum Zeitpunkt der Altmaier-Aussagen im März 2020 hatte die Arbeitsagentur noch keine aussagekräftigen Zahlen zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf den deutschen Arbeitsmarkt vorgelegt. Die Pandemie-Maßnahmen schlugen sich erst ab der Arbeitslosenstatistik für April 2020 nieder.

Für das gesamte vergangene Jahr schrieb die Arbeitsagentur im Januar 2021: Wegen einer der schwersten wirtschaftlichen Rezessionen in der Nachkriegsgeschichte sei auch der Arbeitsmarkt in Deutschland stark unter Druck geraten. «Im Jahresdurchschnitt 2020 waren in Deutschland 2 695 000 Menschen arbeitslos gemeldet, 429 000 oder 19 Prozent mehr als vor einem Jahr.» Gerade mit dem Einsetzen des ersten Lockdowns habe die Frühjahrsbelebung abrupt ausgesetzt.

Die Arbeitsmarktforscher geben mit Blick auf die im gleichen Zeitraum um 5,5 Prozent geschrumpfte Wirtschaftsleistung allerdings zu bedenken: «Angesichts des immensen wirtschaftlichen Schocks waren die Verschlechterungen aber vergleichsweise begrenzt.» Stabilisierend habe sich etwa der Einsatz von Kurzarbeit gezeigt, ohne den etwa die Arbeitslosigkeit «noch erheblich größer ausgefallen» wäre, so die Arbeitsagentur.

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Links:

«Hart aber fair» vom 16. März 2020 (abrufbar bis 16.03.2021): https://www1.wdr.de/daserste/hartaberfair/videos/video-hartaberfair-extra-die-corona-krise--wo-stehen-wir-was-kommt-noch-100.html

Altmaier-Zitat in «Hart aber fair» (Sequenz): https://www.facebook.com/watch/?v=523421221884813 (archiviert: http://dpaq.de/G8Bvd)

FAZ-Interview mit Altmaier vom 28. März 2020 (gebührenpflichtig): https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftsminister-peter-altmaier-im-corona-interview-16701070.html

Bundesagentur für Arbeit über Arbeitsmarkt 2020: https://www.arbeitsagentur.de/datei/arbeitsmarktbericht-dezember-2020_ba146814.pdf (archiviert: https://perma.cc/JL54-FVWD)

Facebook-Post mit falschem Altmaier-Zitat: https://www.facebook.com/DK.Nachrichten/posts/779054092697464 (archiviert: https://archive.vn/J9OFH)

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