Geschichte über leuchtenden Impfstoff ist erfunden
18.1.2021, 17:49 (CET)
Kommt so die Wahrheit ans Licht? In den sozialen Medien kursiert derzeit das Bild einer angeblich mit Impfstoff gefüllten Spritze; die Flüssigkeit gleißt im Dunkeln neongrün. Im flankierenden Post (hier archiviert) berichtet eine vermeintliche Mitarbeiterin des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM): Sie habe eine Ampulle Impfstoff aus dem Institut geschmuggelt, um ihn daheim zu analysieren. Dabei habe sie festgestellt, dass der Stoff leuchte und leicht radioaktiv sei - wahrscheinlich sei Radium enthalten.
BEWERTUNG: Bei Bild und Nachricht handelt es sich um eine Fälschung. Weder werden im BfArM Impfstoffe gelagert, noch leuchtet Radium grün.
FAKTEN: Maik Pommer, Pressesprecher des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), kommt gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) sogleich zum Punkt: «Bei der im Umlauf befindlichen Aussage handelt es sich um eine Falschinformation.» Nichts daran stimme. Pommer: «Zu den Aufgaben unseres Instituts gehört die Zulassung und Überwachung von Fertigarzneimitteln. Die Zulassung und Überwachung von Impfstoffen ist hingegen Aufgabe des Paul-Ehrlich-Instituts.» Daher gebe es im BfArM gar keine Impfstoffe, die herausgeschmuggelt werden könnten.
Auch eine überprüfende Analyse des Postings entlarvt Bild und Text rasch als Fake. Tatsächlich werden radioaktive Substanzen wie das im Post benannte Radium als sogenannte Radiopharmaka in der Medizin eingesetzt, vor allem in der Krebsmedizin. Sie lagern an Tumoren an und zerstören diese. Ein Einsatz solcher Stoffe in Vakzinen ist bislang vollkommen unbekannt. Und er ergibt auch keinen Sinn.
Ebenso wenig das intensive Leuchten des vermeintlichen Impfstoffes. Auf Anfrage der dpa erklärt ein Experte des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS): «Es ist sehr unwahrscheinlich, dass ein so stark leuchtendes Grün, wie abgebildet, entsteht.» Dass die Farbgebung durch Radium entsteht, wie in dem Post behauptet, sei kaum möglich, da Radium zu den sogenannten Alpha-Strahlern zählt: «Alpha-Strahlung leuchtet nicht von selbst. Aufgrund ihrer kurzen Reichweite könnte sie zudem die Wand eines Gefäßes wie der abgebildeten Spritze nicht durchdringen.»
Denkbar, dass sich in der Spritze Fluorescein befindet - ein harmloser, leicht erhältlicher Farbstoff, der bei bestimmtem Licht leuchtet. Mit ihm lassen sich etwa Lecks in Wasserleitungen nachverfolgen.
Beiträge, die Bild und Behauptung nutzen, kursieren auch in anderen Ländern, so zum Beispiel in Ungarn. Die dortige Tageszeitung Metropol hat die Behauptungen ebenfalls in einem Faktencheck widerlegt.
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Berichtigung: Wort im dritten Absatz geändert: «Falschinformation» statt «Nonsens»
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Links:
Beitrag: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=833442194117493&set=a.123451188449934&type=3 (archiviert: https://archive.is/6GsrC)
Infos über das BfArM: https://www.bfarm.de/DE/BfArM/_node.html (archiviert: https://archive.is/6LBtO)
Infos über Radiopharmaka: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/strahlende-arzneimittel/ (archiviert: https://archive.is/PB2XD)
Infos über Fluorescein: http://www.fluo-technik.com/details-sodium+fluorescein+dyes+for+water+tracing-78.html (archiviert: https://archive.is/hQQ7N)
Faktencheck von Metropol: https://metropol.hu/aktualis/buta-es-ostoba-alhirekkel-uszitanak-az-oltas-ellen-156909/ (archiviert: https://archive.is/jKfCP)
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Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com