Maskenpflicht verstößt nicht gegen Arbeitsschutz - Unfallversicherung falsch zitiert
13.11.2020, 16:43 (CET)
In der Schule, im Nahverkehr oder in Geschäften - zur Eindämmung der Corona-Pandemie gilt mittlerweile in diversen Bereichen eine Maskenpflicht. Im Internet warnen Maskengegner nun vor drohenden Gesundheitsschäden und behaupten, die derzeitigen Regeln seien unzulässig. «Es wird seit Wochen gegen Arbeitsschutzvorschriften verstoßen», heißt es in einem Video (hier archiviert). Das habe die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) bestätigt. Damit stütze sie die Ergebnisse einer Studie, die im Video präsentiert wird.
BEWERTUNG: Falsch. Die DGUV hat mitgeteilt, dass ihr in dem Video Aussagen zugeschrieben wurden, die sie nicht getroffen hat. Ihre Empfehlungen sind außerdem verkürzt und teilweise falsch wiedergegeben.
FAKTEN: Die DGUV hat in einer Mitteilung vom 11. November klargestellt, dass es sich bei den verbreiteten Äußerungen um Falschbehauptungen handelt. Sie hat demnach bereits rechtliche Schritte eingeleitet und die Verantwortlichen zur Unterlassung aufgefordert.
In dem Video heißt es, die DGUV habe Erkenntnisse einer Studie bestätigt, die in der Aufnahme ins Bild gehalten wird. Dabei handelt es sich um ein Papier, das unter anderem von der Arbeitsmedizinerin Beatrice Vöhringer verfasst wurde. Darin wird vor den Gesundheitsgefahren einer Maskenpflicht für Schüler gewarnt. Diese stelle ein «unzumutbares Risiko insbesondere für Kinder» dar. Es gebe den «dringenden Verdacht der direkten Gesundheitsgefährdung».
Die DGUV distanziert sich ausdrücklich von diesen Ansichten: Sie hat in einer Mitteilung vom 10. November erklärt, dass sie keine Belege für eine Gesundheitsgefahr durch das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen sieht.
Sie hat lediglich Empfehlungen zur Tragezeit von Mund-Nase-Bedeckungen herausgegeben, wie Sprecher Stefan Boltz der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage mitgeteilt hat. Der Gesundheitsbereich ist dabei ausgenommen.
Die Empfehlungen sind nicht neu, wie es im Video heißt: Sie wurden im Mai veröffentlicht und im Oktober noch einmal aktualisiert, ohne dass es dabei inhaltliche Änderungen gegeben hat.
Sie sehen bei mittelschwerer körperlicher Arbeit eine Tragedauer von zwei Stunden mit einer anschließenden «Erholungszeit» von 30 Minuten vor. Eine Arbeitspause ist damit nicht gemeint, Beschäftigte sollen in dieser Zeit lediglich die Maske ablegen. Bei leichter Arbeit sei auch eine Verlängerung der Tragedauer auf drei Stunden möglich.
In der betrieblichen Praxis sei es außerdem oft möglich, für kurze Zeit die Maske abzunehmen, wenn der Mindestabstand von 1,50 Metern zu anderen Personen gewährleistet ist. In diesen Fällen ist es also nicht nötig, die Maske für 30 Minuten abzunehmen.
Die Empfehlungen dienen Arbeitgebern zur Orientierung und sind keine verbindlichen Vorgaben. Insbesondere lasse sich aus ihnen nicht ableiten, dass betriebliche Vorschriften zum Tragen von Masken hinfällig seien.
Für Schulen hat die DGUV einen eigenen Schutzstandard veröffentlicht. Darin wird eine Maskenpflicht für Schüler ab der fünften Klasse auch im Unterricht empfohlen, wenn aufgrund der schulischen Abläufe die nötigen Abstände nicht eingehalten werden können.
In diesem Fall sollten Schüler genügend Kurzpausen erhalten, in denen sie die Maske abnehmen können. Sind solche Kurzpausen nicht möglich, ist den Angaben zufolge nach drei Stunden Tragezeit eine Masken-Pause von 15 bis 30 Minuten ratsam.
Es ist also nicht richtig, dass Masken der DGUV zufolge nicht länger als zwei Stunden getragen werden dürfen, wie Sprecher Boltz betont. Ebenso wenig gebe es eine Verpflichtung für Arbeitgeber und Schulleiter, Vorsorgeuntersuchungen anzubieten, wie dies im verbreiteten Video behauptet wird. Dort heißt es, dass Schülern ohne ärztliche Untersuchung keine Maske vorgeschrieben werden dürfe.
Außerdem wird ausgeführt, dass der Atemwiderstand von Alltagsmasken laut der Unfallversicherung «schärfer und härter» sei als bei FFP3-Masken. Das ist ebenfalls falsch.
Richtig ist, dass die Empfehlungen sich an der DGUV-Regel 112-190 zur Benutzung von Atemschutzgeräten orientieren, die im angeführten Dokument ebenfalls zitiert wird. In diesem Regelwerk werden Tragezeitbegrenzungen für verschiedene Maskenarten aufgeführt.
Der Wert von zwei Stunden entspricht dabei der Vorgabe für Filtermasken mit Ausatemventil. Das umfasst Masken ab der Klasse FFP1. Denn die DGUV-Experten gehen davon aus, dass Mund-Nase-Bedeckungen aus Baumwolle, Leinen oder Seide sowie medizinische Gesichtsmasken ähnliche Atemwiderstände wie solche Filtermasken aufweisen können.
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Links:
Beitrag auf Facebook: https://www.facebook.com/106193151273392/videos/716846389248160/ (archiviert: https://archive.vn/Fby5b)
Video auf Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=NKrlcel6FSA (archiviert: https://perma.cc/D8GW-MN55)
Dokument zur vermeintlichen Gesundheitsgefahr durch Masken u.a. von Arbeitsmedizinerin Beatrice Vöhringer: https://www.proske.news/wp-content/uploads/2020/11/2_5267515601697376955.pdf (archiviert: http://dpaq.de/JAoK7)
Homepage der Arbeitsmedizinerin Beatrice Vöhringer: https://www.holistische-arztpraxis.de
Mitteilung der DGUV «Fakten zu Mund-Nase-Bedeckungen»: https://www.dguv.de/de/mediencenter/pm/pressemitteilung_411780.jsp (archiviert: https://archive.vn/Ze1it)
Mitteilung der DGUV zu Falschmeldungen im Internet: https://www.dguv.de/de/mediencenter/pm/pressearchiv/2020/quartal_4/details_4_412161.jsp (archiviert: https://archive.vn/ba87U)
DGUV-Empfehlungen zur Tragezeit: https://www.dguv.de/medien/inhalt/praevention/themen_a_z/biologisch/kobas/tragezeitbegrenzung_kobas_27_05_2020.pdf (archiviert: http://dpaq.de/nxLCE)
Erläuterungen zu den DGUV-Empfehlungen: https://www.dguv.de/medien/inhalt/praevention/themen_a_z/biologisch/kobas/erlaeuterungen_tragezeitbegrenzung_kobas_7_10_2020.pdf (archiviert: http://dpaq.de/grrrk)
DGUV-Regel zur Benutzung von Atemschutzgeräten: https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/1011 (archiviert: http://dpaq.de/jye5H)
DGUV-Empfehlungen für Schulen: https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/3850 (archiviert: http://dpaq.de/VKlDl)
Maskenempfehlung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ): https://www.dgkj.de/fileadmin/user_upload/Meldungen_2020/200504_DGKJ_Maskenempfehlung_aktualisiert.pdf (archiviert: http://dpaq.de/JfiR0)
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