Familiennachzug nur bei EU-Bürgern erweitert - Bundestag setzt EU-Forderung um

15.10.2020, 11:36 (CEST)

Künftig bekommen mehr Menschen aus Nicht-EU-Staaten die Möglichkeit, zu Partnern und Verwandten nach Deutschland ziehen. Diese Neuregelung nehmen mehrere Artikel zum Anlass, um mögliche Ängste vor einer Einreise von Großfamilien zu schüren und das Bild eines angeblichen «Migranten-Siedlungs-Paradieses» in Deutschland an die Wand zu malen. Als warnendes Beispiel nennt etwa ein Artikel auf «politikstube.com» (hier archiviert) einen angeblich mehrköpfigen Verwandtenkreis um einen syrischen Kriegsflüchtling, ein Text auf «deutschland-kurier.org» (hier archiviert) einen Asylbewerber aus Eritrea.

BEWERTUNG: Die Umsetzung einer Forderung aus Brüssel bezieht sich nur auf Angehörige von EU-Bürgern. Ein Familiennachzug ist zudem an Bedingungen geknüpft. Nicht-EU-Bürger - also etwa Asylbewerber - können nach dieser Neuregelung keine weiteren Angehörigen nach Deutschland holen.

FAKTEN: Der Bundestag beschloss am 9. Oktober 2020 mit den Stimmen der Regierungskoalition von CDU/CSU und SPD sowie der Oppositionsparteien FDP und Grüne erweiterte Möglichkeiten zum Familiennachzug. Diese Neuregelung bezieht sich aber nur auf in Deutschland lebende EU-Bürger.

Anerkannte Flüchtlinge oder Asylberechtigte haben keine EU- beziehungsweise deutsche Staatsbürgerschaft. Um in der Bundesrepublik eingebürgert zu werden ist eine der Voraussetzungen, dass man sich über acht Jahre gewöhnlich und rechtmäßig in Deutschland aufhält.

Mit der nun vom Bundestag beschlossenen Regelung bietet Deutschland Angehörigen von EU-Bürgern, die selbst nicht die Staatsangehörigkeit eines EU-Staats haben, die Möglichkeiten zum Familiennachzug an. Dazu gehören zum Beispiel Briten nach dem Austritt des Landes aus der EU.

Nachziehen können demnach zum Beispiel Pflegekinder, Onkel, Tanten, Neffen und Nichten. Auch eine Einreise zur Pflege eines Angehörigen ist möglich.

Zudem können dauerhafte Lebenspartner nachziehen, die weder Ehegatten sind noch eingetragene Lebenspartner. Allerdings sind daran Bedingungen geknüpft: So muss etwa die Person, die nach Deutschland zieht, zwei Jahre lang Unterhalt vom Partner in Deutschland bekommen haben, oder beide müssen längere Zeit zusammengelebt haben.

Der Bundestagsbeschluss war eine Reaktion auf ein Verfahren der EU-Kommission gegen Deutschland wegen Verletzung europäischen Rechts - und auf den EU-Austritt Großbritanniens. Berlin setzte also damit die EU-Freizügigkeitsrichtlinie in nationales Recht um. Die AfD stimmte im Parlament dagegen, die Linksfraktion enthielt sich.

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Links:

Bundestag über die am 9.10.2020 beschlossenen Neuerungen beim Familiennachzug: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw41-de-freizuegigkeitsgesetz-eu-796038 (archiviert: http://dpaq.de/dPsVv)

Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern: https://www.gesetze-im-internet.de/freiz_gg_eu_2004/

Bundesregierung über Staatsbürgerschaft, Voraussetzungen ab S. 11: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975292/1543188/88d72e6ce4af2bbac9b565afb054fa5f/die-deutsche-staatsbuergerschaft-07-11-18-download-neu-ba-ib-data.pdf

Artikel mit Falschinformationen über Familiennachzug vom 13.10.2020: https://politikstube.com/noch-nicht-genug-migranten-bundestag-erweitert-familiennachzug-auch-onkel-tanten-neffen-und-nichten-duerfen-kommen/ (archiviert: http://dpaq.de/u9F5Z)

Artikel mit Falschinformationen über Familiennachzug vom 13.10.2020: https://www.deutschland-kurier.org/2020/10/von-der-oeffentlichkeit-kaum-bemerkt-bundestag-erweitert-familiennachzug-auf-die-ganze-sippe/ (archiviert: https://archive.vn/j9RoP)

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