Behauptungen von angeblichen «Corona-Insidern» falsch

09.10.2020, 13:36 (CEST)

Auf Facebook werden derzeit vermehrt Postings verbreitet, in denen angebliche «Corona-Insider» auspacken (hier archiviert). Unter anderem heißt es, das Coronavirus sei ein Grippe-Virus, PCR-positiv Getestete seien «weder krank noch infiziert (ansteckend)» und Masken würden niemanden vor Viren schützen.

BEWERTUNG: Bei dem Coronavirus handelt es nicht um ein Grippe-Virus, PCR-positiv Getestete sind infiziert und in den meisten Fällen auch krank und infektiös. Die Wirksamkeit von Masken wurde mittlerweile in mehreren wissenschaftlichen Studien bestätigt.

FAKTEN:

  • Grippe

Covid-19 und die Influenza (Grippe) sind beide ansteckende Atemwegserkrankungen. In einigen Punkten wie den auftretenden Symptomen oder der Art der Verbreitung ähneln sich die Krankheiten, informiert die US-Seuchenbehörde «Centers for Disease Control and Prevention» auf ihrer Webseite. Covid-19 wird durch eine Infektion mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 verursacht, die Grippe durch eine Infektion mit Influenzaviren. Die Unterschiede zwischen den Virusfamilien haben unter anderem auch die Johns Hopkins Universität und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zusammengefasst.

  • PCR-Tests

Der zweite Punkt des Postings betrifft die PCR-positiv Getesteten, welche «weder krank noch infiziert (ansteckend)» seien. Zunächst gilt, dass infiziert nicht ansteckend bedeutet. Eine Infektion ist laut dem Robert Koch-Institut (RKI) der «Vorgang des Eindringens und der Entwicklung oder Vermehrung eines infektiösen Agens in einen Organismus mit der Folge einer symptomatischen oder asymptomatischen (aber nachweisbaren) Reaktion». Infektiosität (Übertragbarkeit) hingegen bedeutet, dass der Erreger auf ein anderes Individuum überspringen und sich dort vermehren kann.

Laut dem Institut dient der PCR-Test dem «direkten Erregernachweis». Die Polymerase-Ketten-Reaktion basiert auf der «Vervielfachung (…) eines kleinen Teiles des Erbgutes (DNA bzw. RNA)» sowie der «Detektion und Identifikation der vervielfachten (…) Produkte der Amplifizierung», was auf dem Öffentlichen Gesundheitsportal Österreichs nachzulesen ist. Bestimmte Sequenzen des Erbguts von Sars-CoV-2 werden bei dem Test also vervielfältigt, um sie dann nachweisen zu können.

Ein positiver PCR-Test sagt also aus, dass die Person infiziert ist, nicht aber per se dass sie auch krank ist oder wird, berichtete auch der Bayerische Rundfunk. So gibt es auch einige asymptomatisch Infizierte, welche nie Symptome einer Covid-19-Erkrankung aufweisen.

Etwa 20 Prozent der Infizierten sind Studien zufolge asymptomatisch, sagt die Österreichische Agentur für Ernährungssicherheit (AGES). Dieser Prozentsatz variiert aber von Studie zu Studie. So gibt es laut dem «European Centre for Disease Prevention and Control» Studien mit nur 8,4 Prozent asymptomatischen Menschen. Eine aktuelle Studie besagt sogar, dass die meisten Menschen, die sich mit SARS-CoV-2 infizieren, nicht während des gesamten Verlaufs der Infektion asymptomatisch bleiben, also irgendwann Symptome entwickeln.

Das «European Centre for Disease Prevention and Control» warnt zudem, dass eine asymptomatische Übertragung schwer zu quantifizieren sei: «Die verfügbaren Daten, die hauptsächlich aus Beobachtungsstudien stammen, variieren in ihrer Qualität und scheinen anfällig für Verzerrungen zu sein».

Bei der Weiterverbreitung der Infektion spielen asymptomatisch Infizierte laut der AGES eine untergeordnete Rolle. Das sieht auch das Robert Koch-Institut (RKI) so.

Der Wiener Universitätsprofessor Dr. Florian Thalhammer sagte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa), dass die Aussage, PCR-positiv Getestete seien nicht krank, in dem Fall stimme, wenn die Patienten und Patientinnen nach Ablauf einer Covid-19-Infektion noch einen positiven PCR-Test aufweisen würden. «Diese Patient*innen waren jedoch krank und infiziert, sind jedoch nach etwa sieben bis zehn Tagen (derzeit Quarantänezeit) nicht mehr als infektiös anzusehen», so Thalhammer.

Diesen Fall beschreibt auch das Robert Koch-Institut (RKI) auf seiner Webseite: Sars-CoV-2 virale RNA sei bei vielen konvaleszenten Patienten noch Wochen nach Symptombeginn in der RT-PCR (Reverse transcription polymerase chain reaction) nachweisbar. Diese Testergebnisse seien jedoch «nicht zwingend mit Kontagiosität» (Ansteckungsfähigkeit) gleichzusetzen.

Ein positiver PCR-Test sagt also per se nichts über eine Krankheit aus, das spielt aber in Hinblick auf das eher geringe Auftreten von asymptomatischen Fällen eine untergeordnete Rolle. Wer positiv getestet wird, ist also in den meisten Fällen schon infiziert, krank und damit ansteckend.

  • Mund-Nasen-Schutz

Im dritten Punkt wird behauptet, Masken würden niemanden vor Viren schützen. Dem gegenüber steht die Aussage des Robert Koch-Instituts (RKI), die besagt, dass ein «mehrlagiger medizinischer Mund-Nasen-Schutz (MNS)» geeignet sei, «die Freisetzung erregerhaltiger Tröpfchen aus dem Nasen-Rachen-Raum des Trägers zu behindern», er diene also «primär dem Schutz des Gegenübers (Fremdschutz)». Gleichzeitig könne er den Träger vor der Aufnahme von Tröpfchen oder Spritzern über Mund oder Nase schützen (Eigenschutz).

Die Wirksamkeit von Masken im Kampf gegen die Corona-Pandemie wurde mittlerweile in einigen wissenschaftlichen Studien bestätigt. So ergab eine Studie vom Juni 2020 von vier Universitäten, darunter der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), dass die Maskenpflicht offenbar deutlich zur Eindämmung der Corona-Pandemie beiträgt. In der Studie wurde die Entwicklung der Infektionszahlen in der deutschen Stadt Jena mit denen ähnlicher Städte verglichen, in denen die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes später eingeführt wurde.

«Nach unseren Berechnungen tut sich eine signifikante Kluft zwischen den Fallzahlen in Jena und der Vergleichsgruppe ohne Maskenpflicht auf», wird Prof. Dr. Timo Mitze von der University of Southern Denmark, Co-Autor der Studie, in einer Mitteilung der JGU zitiert. Die Zunahme der Infektionen in Jena habe nur etwa einem Viertel der Zunahme in der Vergleichsgruppe entsprochen, heißt es in der Mitteilung weiter. Die Einführung der Maskenpflicht habe (…) zu einer Verlangsamung der Ausbreitung von Covid-19 beigetragen.

Die Ergebnisse einer weiteren Studie deuten ebenfalls darauf hin, dass das Tragen von Gesichtsmasken sowohl die allgemeine Öffentlichkeit als auch Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten vor einer Infektion mit dem Coronavirus schützen und zu einer «großen Reduktion des Infektionsrisikos führen» kann. Die Studie wurde im Juni 2020 in der renommierten Fachzeitschrift «The Lancet» veröffentlich. Sie beinhaltete eine systematische Überprüfung von Daten und eine Metaanalyse - um die optimale Entfernung zwischen Menschen zu ermitteln sowie die Wirksamkeit von Gesichtsmasken und einem Augenschutz zu überprüfen. Partikelfiltrierende Masken wie FFP 2 und ähnliche Modelle dürften dabei wirksamer sein als OP-Masken.

Im wissenschaftlichen Journal «BMJ Global Health» erschien im Mai 2020 eine Studie, die die Reduktion der sekundären Übertragung von Sars-CoV-2 in Haushalten im chinesischen Peking durch das Tragen von Gesichtsmasken, Desinfektion und Social Distancing untersuchte. Dabei kam unter anderem heraus: Die Verwendung von Gesichtsmasken beim ersten Infizierten (Indexpatient) und dessen Familienkontakten vor Symptombeginn beim Indexpatienten senkte die Ansteckungswahrscheinlichkeit um 79 Prozent.

Die Forscher räumten zwar ein, dass ihre Untersuchung Grenzen habe, da man sich bei den durchgeführten Telefoninterviews auf das Erinnerungsvermögen der Teilnehmer verlassen müsse. Dennoch unterstützten ihre Ergebnisse die Empfehlung zum Masketragen.

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Links:

Facebook-Posting: https://www.facebook.com/mini.tennis.96/posts/1638331699671118 (archiviert: https://archive.vn/avreq)

«Centers for Disease Control and Prevention» zu COVID-19 und der Grippe: https://www.cdc.gov/flu/symptoms/flu-vs-covid19.htm (archiviert: http://dpaq.de/9AXpR)

«Centers for Disease Control and Prevention» zur Influenza: https://www.cdc.gov/flu/about/viruses/index.htm (archiviert: http://dpaq.de/fp267)

«Centers for Disease Control and Prevention» zu den verschiedenen Coronavirus-Typen: https://www.cdc.gov/coronavirus/types.html (archiviert: http://dpaq.de/aMqZ4)

Johns Hopkins Universität über Unterschiede und Ähnlichkeiten der beiden Viren: https://www.hopkinsmedicine.org/health/conditions-and-diseases/coronavirus/coronavirus-disease-2019-vs-the-flu (archiviert: http://dpaq.de/c5NHQ)

Weltgesundheitsorganisation (WHO) über Unterschiede und Ähnlichkeiten der beiden Viren: https://www.who.int/westernpacific/news/q-a-detail/q-a-similarities-and-differences-covid-19-and-influenza#:~:text=The%20speed%20of%20transmission%20is,major%20driver%20of%20transmission (archiviert: http://dpaq.de/fLU4P)

Robert Koch-Institut (RKI) zu Infektion vs. Infektiosität: https://www.rki.de/DE/Content/Service/Publikationen/Fachwoerterbuch_Infektionsschutz.pdf?__blob=publicationFile (archiviert: http://dpaq.de/qU8vL)

Robert Koch-Institut (RKI) zum PCR-Test: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html (archiviert: https://archive.vn/Ot4H7)

Öffentliches Gesundheitsportal Österreich: https://www.gesundheit.gv.at/labor/laborbefund/polymerase-ketten-reaktion (archiviert: https://archive.vn/4lNPg)

«European Centre for Disease Prevention and Control» zu asymptomatisch Infizierten: https://www.ecdc.europa.eu/en/covid-19/latest-evidence/transmission (archiviert: http://dpaq.de/vpnFb)

Österreichische Agentur für Ernährungssicherheit (AGES): https://www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/faq-coronavirus/ (archiviert: http://dpaq.de/fZlUA)

Robert Koch-Institut (RKI) über asymptomatisch Infizierte: https://www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/faq-coronavirus/ (archiviert: http://dpaq.de/kBI8f)

Studie von «PLOS Medicine“: https://journals.plos.org/plosmedicine/article?id=10.1371/journal.pmed.1003346 (archiviert: https://archive.vn/pCtr1)

Universitätsprofessor Florian Thalhammer: https://infektiologie.co.at/speaker/univ-prof-dr-florian-thalhammer

Robert Koch-Institut (RKI) zu konvaleszenten Personen: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.htm (archiviert: http://dpaq.de/X1J1z)

Bayrischer Rundfunk zu PCR-Tests: https://www.br.de/nachrichten/wissen/corona-und-der-pcr-test-die-wichtigsten-fragen-und-antworten,S7Wu0Pk (archiviert: http://dpaq.de/cd31k)

Robert Koch-Institut (RKI) zu Mund-Nasen-Schutz: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Hygiene.html (archiviert: http://dpaq.de/ObSRg)

Studie zur Wirksamkeit einer Maskenpflicht von vier Universitäten: http://ftp.iza.org/dp13319.pdf (archiviert: http://dpaq.de/bJScS)

Mitteilung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz zur Studie zur Wirksamkeit einer Maskenpflicht: https://www.uni-mainz.de/presse/aktuell/11532_DEU_HTML.php (archiviert: http://dpaq.de/JnBxu)

Studie in «The Lancet»: https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(20)31142-9/fulltext (archiviert: http://dpaq.de/DekEW)

Studie in «BMJ Global Health»: https://gh.bmj.com/content/5/5/e002794 (archiviert: http://dpaq.de/BVKJ9)

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