Zum Teil falsche Angaben über Renteneintrittsalter in Frankreich

01.10.2020, 12:09 (CEST)

Pläne für eine Rentenreform haben in Frankreich über Monate hinweg für Streit und Proteste gesorgt. Nun wird in einem Beitrag auf Facebook (hier archiviert) verbreitet, das Volk habe «gewonnen» - das Renteneintrittsalter für Männer liege bei 62 und für Frauen bei 58 Jahren.

BEWERTUNG: Tatsächlich hat die französische Regierung Pläne verworfen, das standardmäßige Renteneintrittsalter von 62 auf 64 Jahre zu erhöhen. Es gibt jedoch keinen Unterschied von vier Jahren zwischen Frauen und Männern. Zudem gibt es weitere Besonderheiten: So sind etwa Abschläge geplant, wenn Franzosen mit 62 Jahren in Rente gehen wollen.

FAKTEN: Das gesetzlich festgelegte Alter für den Renteneintritt liegt in Frankreich bei 62 Jahren, wie die EU-Kommission und die französischen Behörden schreiben. Zuletzt hatte es in dem Land Ende 2019 und Anfang 2020 immer wieder Proteste und Streiks gegeben, da die Regierung dieses Alter anheben wollte. Im Januar lenkte der damalige Premierminister Édouard Philippe schließlich ein und erklärte, man werde bei einer Rentenreform auf eine Anhebung verzichten. Dies entspricht auch einem im Februar in der Nationalversammlung debattierten Reformvorschlag.

Für die Behauptung auf Facebook, das Renteneintrittsalter bei Frauen liege damit bei 58 Jahren, gibt es jedoch keinerlei Belege. Im Gegenteil: Wie die EU-Kommission schreibt, ist es derzeit «für alle ab 1955 geborenen Personen auf 62 Jahre festgelegt».

Neben dem gesetzlich festgelegten weist auch das tatsächliche Renteneintrittsalter keine derartigen Unterschiede auf. Nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) traten französische Frauen im Jahr 2016 effektiv sogar drei bis vier Monate später als Männer die Rente an. Männer gingen demnach im Schnitt mit 60 Jahren in Rente.

Zudem sind weitere Besonderheiten zu beachten. Die Regierung verfolgt weiter das Ziel, dass Französinnen und Franzosen über das Alter von 62 Jahren hinaus arbeiten. Im Januar plante die inzwischen zurückgetretene Regierung deshalb etwa Abschläge, falls der Renteneintritt vor einem Alter von 64 Jahren erfolgt. Umgesetzt sind entsprechende Pläne allerdings noch nicht. Im Juli kündigte Philippes Nachfolger Jean Castex an, die Rentenreform zu vertagen. Für Streit sorgen auch viele Sonderregelungen für bestimmte Berufsgruppen. So können zum Beispiel manche Angestellte der staatlichen Eisenbahngesellschaft SNCF derzeit mit Anfang 50 in Rente gehen.

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Links:

Beitrag auf Facebook: https://www.facebook.com/vito.castello.73/posts/10217578001183170 (archiviert: https://archive.vn/cvpg9)

EU-Kommission über Renten in Frankreich: https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=1110&langId=de&intPageId=4539 (archiviert: https://archive.vn/LvZG2)

Französische Sozialbehörde CLEISS: https://www.cleiss.fr/docs/regimes/regime_france/al_3.html (archiviert: https://archive.vn/fCHdw)

«Zeit online» über Reformpläne: https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-01/edouard-philippe-frankreich-rentenreform (archiviert: https://archive.vn/EdmCb)

Vorschlag für eine Rentenreform: https://www.legifrance.gouv.fr/dossierlegislatif/JORFDOLE000041477060/ (archiviert: https://archive.vn/B72AN)

OECD-Vergleich des Renteneintrittsalters: https://www.oecd-ilibrary.org/social-issues-migration-health/renten-auf-einen-blick-2017_pension_glance-2017-de (Seite 138, archiviert: https://archive.vn/a0QiL)

«Frankfurter Allgemeine Zeitung» über Reformpläne: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/frankreich-will-grundrente-einfuehren-rentenalter-62-bleibt-16530223.html (archiviert: https://archive.vn/ez2cP)

«Spiegel» über Aufschub der Reform: https://www.spiegel.de/politik/ausland/frankreich-will-rentenreform-erneut-vertagen-a-a1b96df7-16af-4301-8926-ba565064c70a (archiviert: https://archive.vn/pjnn7)

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