Kein Beleg für angebliche Aussage von Voltaire zum Koran

08.10.2020, 16:15 (CEST)

Im Internet kursiert ein Bild des Philosophen Voltaire mit einer vermeintlichen Aussage über den Koran von ihm (hier archiviert). Demnach soll er gesagt haben: «Der Koran lehrt Angst, Hass, Verachtung für Andere, Mord als legitimes Mittel zur Verbreitung und zum Erhalt dieser Satanslehre, er redet die Frauen schlecht, stuft Menschen in Klassen ein, fordert Blut und immer wieder Blut...». Als Quellenangabe wird ein Brief an König Friedrich II. aus dem Jahr 1740 angegeben.

BEWERTUNG: Die Quellenangabe ist falsch: In den Briefen von Voltaire an Friedrich den Großen aus dem Jahr 1740 ist keine entsprechende Äußerung zu finden. Auch bei der Suche in anderen Werken und Schriften findet sich Experten zufolge kein Beleg für eine derartige Aussage Voltaires.

FAKTEN: Der Philosoph Voltaire (1694-1778), mit gebürtigem Namen François-Marie Arouet, war ein Vordenker der Aufklärung und stand den Religionen generell kritisch gegenüber. Im angegebenen Briefwechsel mit König Friedrich II. aus dem Jahr 1740 hat er aber nicht auf diese Weise über den Koran geschrieben, erklärt Roman Kuhn, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Romanische Philologie der Freien Universität Berlin.

Bei der Suche in wissenschaftlichen Datenbanken finde sich auch in anderen Werken und Briefen kein Beleg für ein derartiges Zitat von Voltaire. Zu diesem Ergebnis kommt ebenfalls Gillian Pink von der Voltaire Foundation, einer Stiftung, die an der Universität Oxford angesiedelt ist. Für sie klinge diese Passage auch nicht nach Voltaire. Es sei daher sehr unwahrscheinlich, dass es sich um ein Zitat von ihm handelt.

In einem Brief an Friedrich den Großen hat sich der Philosoph zu seinem Theaterstück «Mahomet der Prophet» geäußert. Dabei bezeichnet er diesen als «Kamelhändler», der sich damit brüste, «in den Himmel entrückt worden zu sein und dort einen Teil jenes unverdaulichen Buches empfangen zu haben, das bei jeder Seite den gesunden Menschenverstand erbeben lässt». Dass er sein Vaterland «mit Feuer und Eisen» überziehe, um diesem Werk Respekt zu verschaffen, sei «etwas, das kein Mensch entschuldigen kann».

Die Aussage, wonach der Koran Angst und Hass lehre, ist in diesem Brief aber nicht zu finden, erklärt Roman Kuhn. Es gebe keine Textstelle, die dieses Zitat auch nur annäherungsweise deckt. Die Quellenangabe sei also falsch. Im Internet werden beide Aussagen zum Teil auch gemeinsam als zusammenhängendes Zitat verbreitet, was ebenfalls nicht richtig ist.

Inhaltlich spreche ebenfalls einiges dagegen, dass es sich um ein Zitat von Voltaire handelt, erläutert Kuhn. In seiner «Mahomed»-Tragödie werde ein religiös inspirierter Fanatismus kritisiert. Im Stück sowie in der Briefstelle dazu gehe es aber nicht um den Inhalt des Korans, «sondern um die Macht der Religion, ihre Anhänger zu fanatischen Taten aufzustacheln». Dies sei für Voltaire keineswegs ein Spezifikum des Islam. Es gehe Voltaire also immer um Religions- und nie speziell um Islamkritik.

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Facebook-Beitrag mit längerer Version der vermeintlichen Aussage von Voltaire:
https://www.facebook.com/neinzum/photos/a.942606259186841/1400575710056558/?type=3&theater (archiviert: https://archive.vn/Il80h

Informationen zu Voltaire von der Voltaire Foundation:
https://www.voltaire.ox.ac.uk/about-voltaire/about-voltaire

Brief von Voltaire an Friedrich mit Kommentar zur Tragödie «Mahomet» (auf Französisch):
https://artflsrv03.uchicago.edu/philologic4/toutvoltaire/navigate/302/1/

Artikel zur Brieffreundschaft von Voltaire und Friedrich:
https://www.spiegel.de/spiegel/spiegelgeschichte/d-77506745.html

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