Das Video zeigt die griechisch-türkische Grenze, nicht das Flüchtlingslager Moria

11.09.2020, 18:53 (CEST)

Mehrere Männer stehen vor einem Feuer an einem Zaun, einige schleppen zusammen einen Baumstamm in die Flammen. Es wird laut gegrölt ein Mann mit nacktem Oberkörper streckt die Arme in den Himmel. Jemand ruft «Allahu akbar» («Gott ist groß»). Diese Szene stammt aus einem Video, das im Internet kursiert. Auf Facebook wird behauptet, dass es sich dabei um Moria handelt (hier archiviert), also um das Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos, das im September 2020 abgebrannt ist.

BEWERTUNG: Das Video ist weder aktuell, noch wurde es in Moria aufgenommen. Es entstand bereits Anfang März und zeigt eine Szene an der griechisch-türkischen Grenze.

FAKTEN: Das Video tauchte schon weit vor dem großen Brand im Flüchtlingslager Moria im Netz auf. So wurde es etwa bereits am 1. März auf Twitter gepostet (hier archiviert). Den Brand im September zeigt es also nicht, aber zeigt das Video vielleicht trotzdem Moria?

Nein, auch das nicht. Die in dem Post auf Twitter gesetzten Hashtags deuten darauf hin, dass dieses Video in der Nähe des Grenzflusses Evros (türkisch: Meric) entstanden ist. Neben dem Ausruf «Allahu akbar» («Gott ist groß») hört man auf Arabisch außerdem die Aufforderung «die Tür» zu öffnen. Damit könnte ein Grenzzaun gemeint sein.

Anfang März wurden von verschiedenen Accounts weitere Videos mit ähnlichen Szenerien veröffentlicht. Darunter am 3. März ein Video, das am selben Ort entstand, womöglich sogar am selben Tag. In beiden Videos ist der gleiche markante Baum zu sehen. Auch die Abstände zu dem Feuer und Grenzmerkmale stimmen in beiden Videos überein. In diesem zweiten Video sagt ein Mann auf Persisch, dass die griechische Polizei am Grenzzaun Gewalt anwendet. Es ist auch von türkischen «Grenzgruppen» die Rede.

Scannt man auf Google Maps die griechisch-türkische Grenze, stößt man auf eine Stelle, die der in den Videos gezeigten Umgebung sehr ähnlich sieht. Die grünen Felder, die Wege und die Aufteilung der Baumgruppen, deuten darauf hin, dass es sich um eine Stelle an der griechisch-türkischen Grenze, etwa zehn Kilometer süd-westlich des Grenzübergangs bei Kastanies/Pazarkule, handelt.

Am 28. Februar hatte Griechenland den Grenzübergang zur Türkei bei Kastanies/Pazarkule geschlossen. Zuvor hatten sich nach Gerüchten über eine Öffnung der türkischen Grenze für Flüchtlinge in Richtung Europa dort Hunderte Migranten versammelt. Die griechische Polizei setzte Tränengas und Blendgranaten ein, um die Menschen daran zu hindern, die Grenze zu überqueren. Die Migranten schleuderten ihrerseits Steine und einige Brandflaschen auf die Polizei, wie das griechische Fernsehen zeigte.

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Erster Facebook-Post: https://www.facebook.com/constanze.holz.18/videos/657332825164679/(archiviert: https://archive.is/oHBDM)

Zweiter Facebook-Post: https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=1213756998992107&id=100010734552253 (archiviert: https://archive.is/tJfvh)

Link zu dem Video vom 1. März: https://twitter.com/harhalas/status/1234070200116535296(archiviert: http://web.archive.org/web/20200301110226if_/https://twitter.com/Harhalas/status/1234070200116535296)

Zweites Video vom selben Schauplatz (3. März): https://twitter.com/NicAthens/status/1234910875418611713 (archiviert: http://web.archive.org/web/20200911141859/https://twitter.com/NicAthens/status/1234910875418611713)

Schauplatz auf Google Maps: https://goo.gl/maps/g18xcGN5w5qBMfp48

Berichterstattung zur Schließung der Grenze: https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/griechenland-schliesst-grenzuebergang-zur-tuerkei-16656765.html (archiviert: https://archive.vn/JWUOW)

Berichterstattung vom 29. März: https://www.focus.de/finanzen/boerse/wirtschaftsticker/athen-wir-haben-eine-organisierte-grenzverletzung-abgewendet_id_11719048.html (archiviert: https://archive.vn/h307t)

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