Corona-Nachweis: Zahlen zu PCR-Tests falsch interpretiert

11.09.2020, 10:26 (CEST)

Angesichts vieler Neuinfektionen mit dem Coronavirus beschäftigt sich das Portal «Journalistenwatch» in einem Artikel mit der Diskussion um die sogenannten PCR-Tests - und schreibt, dass «90 Prozent der Positiv-Getesteten [...] gar nicht positiv gewesen» seien.

BEWERTUNG: Die aktuelle Diskussion in der Wissenschaft beschäftigt sich nicht mit der Frage, ob PCR-Tests auf das Coronavirus falsch ausfallen, sondern ob sie möglicherweise zu sensitiv sind. Das heißt: Viele positiv Getestete könnten eine ungefährliche Viruslast aufweisen. Bei der eingangs genannten hohen Fehlerquote wurden Zahlen der «New York Times» falsch interpretiert.

FAKTEN: Unter der Überschrift «90 Prozent falsche Positiv-Tests in den USA?» beschäftigt sich «Journalistenwatch» mit einem Artikel der «New York Times», in dem es um Schwachstellen von PCR-Tests geht und in dem Wissenschaftler zu Wort kommen. Im zitierten Artikel heißt es jedoch an keiner Stelle, dass 90 Prozent der positiven Corona-Tests in den USA falsch seien oder falsch sein könnten.

Stattdessen wird das Problem geschildert, dass ein PCR-Test auf das Coronavirus lediglich eine Ja- oder Nein-Antwort bietet - jedoch nichts über die Schwere einer Erkrankung, die Viruslast eines Infizierten und die Gefahr weiterer Ansteckungen aussagt.

Bei PCR-Tests wird bei Abstrichen gefundenes genetisches Material vervielfältigt, um die gesuchten Gensequenzen des Virus erkennen zu können. Je weniger Vervielfältigungs-Zyklen benötigt werden, desto höher ist die Viruslast, schreibt die «New York Times». Diese Information werde bei der Diagnose jedoch nicht weiter verwendet. Der Wert von 90 Prozent bezieht sich auf nicht näher erläuterte Datensätze mit Angaben zur Zahl der Zyklen aus drei Bundesstaaten, die die Zeitung einsehen konnte. Demnach wiesen in diesen drei Datensätzen «bis zu 90 Prozent» der positiv Getesteten nur eine sehr geringe Viruslast auf.

Anders als auf «Journalistenwatch» behauptet, fielen die Tests jedoch eindeutig positiv aus. Entscheidend für die wissenschaftliche und medizinische Diskussion ist die Frage, ob die PCR-Tests zu sensitiv - sprich genau - sind und die Angabe zur Viruslast nicht ebenfalls bei der Behandlung berücksichtigt werden müsse, wie ein von der «New York Times» zitierter Epidemiologe der Harvard-Universität anregt.

Unter «falsch» beziehungsweise «falsch-positiv» versteht man im Zusammenhang mit PCR-Tests Fehler bei der Beantwortung der Ja-Nein-Frage - ob also überhaupt Viren nachgewiesen werden oder nicht. Ein sogenanntes falsch-positives Ergebnis liegt vor, wenn bei einer gesunden Testperson fälschlicherweise eine Infektion nachgewiesen wird. Mögliche Fehler können zum Beispiel bei der Entnahme von Proben entstehen, gelten jedoch als sehr selten.

Die von «Journalistenwatch» angedeuteten möglichen rechtlichen Konsequenzen für den deutschen Virologen Christian Drosten («Sammelklagen von US-Bürgern») erscheinen unwahrscheinlich. Drosten entwickelte zwar den ersten PCR-Test auf das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2. In den USA wird jedoch in der Regel ein von der Seuchenschutzbehörde CDC entwickelter und von der Arzneimittelbehörde FDA zugelassener Test genutzt.

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Links:

Artikel auf «Journalistenwatch»: https://www.journalistenwatch.com/2020/09/08/prozent-positiv-tests/ (archiviert: http://dpaq.de/Nt1Jx)

Artikel der «New York Times»: https://www.nytimes.com/2020/08/29/health/coronavirus-testing.html (archiviert: http://dpaq.de/M6wpx)

«Quarks» über PCR-Tests: https://www.quarks.de/gesundheit/medizin/corona-test-wie-funktioniert-der-test/ (archiviert: http://dpaq.de/gTH8G)

Artikel über «Drosten-Test»: https://www.aerztliches-journal.de/medizin/infektiologie/lunge/erster-test-fuer-das-neuartige-coronavirus/dbd365fd3d5a998a6db599e7107389be/ (archiviert: http://dpaq.de/ZcnIo)

CDC-PCR-Test: https://www.cdc.gov/coronavirus/2019-ncov/lab/virus-requests.html (archiviert: http://dpaq.de/v2r1R)

FDA-Zulassung: https://www.fda.gov/media/138931/download (archiviert: http://dpaq.de/9kkvC)

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