«Covid-19 Test kits»: herkömmliche Medizinprodukte in der Corona-Pandemie umbenannt

9.9.2020, 17:01 (CEST)

Seit geraumer Zeit kursieren Behauptungen im Netz, dass die Corona-Pandemie von langer Hand geplant worden sei. Nun werden diese Gerüchte erneut befeuert: In einer Online-Datenbank von internationalen Handelsorganisationen tauchen Datensätze mit dem Titel «Covid-19 Test kits» aus dem Jahr 2017 auf. Der Link zu den Handelsdaten wird etwa auf Facebook (hier archiviert) im Kontext einer sogenannten «Plandemie»-Theorie gepostet. Was ist dran?

BEWERTUNG: Hinter der Bezeichnung «Covid-19 Test kits» verbergen sich Medizinprodukte, mit denen schon seit Jahren gehandelt wird. Sie helfen auch bei anderen Krankheiten und Infektionen, waren aber zur leichteren Bestellung mit dem neuen Titel versehen worden.

FAKTEN: Richtig ist, dass auf der WITS-Seite zeitweise Im- und Exportdaten von «Covid-19 Test kits» und «Covid-19 Medical Supplies» aufgelistet wurden. Die WITS-Seite, kurz für World Integrated Trade Solution, ist eine offizielle Datenbank der Weltbank, der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) und der Welthandelsorganisation (WTO).

Jedes Produkt wird einer Produktgruppe zugeordnet und bekommt eine Handelsnummer, auch HS-Code genannt. Die Diskussion im Netz dreht sich in der Regel um drei Codes, die in ihrer Beschreibung «Covid-19» aufweisen. Die Nummern sind 300215, 382200 und 902780. Alle waren schon vor der Corona-Pandemie in Gebrauch und sind nicht speziell für den aktuellen Erreger Sars-CoV-2 entwickelt worden.

  • Handelsnummer 300215: Darunter werden alle möglichen «immunologischen Erzeugnisse» zusammengefasst, also Arzneimittel, die auf Antikörpern basieren.
  • Handelsnummer 382200: Hierbei handelt es sich um sogenannte Reagenzien, also bestimmte chemische Stoffe, die für zahlreiche Diagnose- oder Labortests verwendet werden. Mit ihnen können chemische Reaktionen eingeleitet oder spezielle Substanzen nachgewiesen werden.
  • Handelsnummer 902780: Hierbei handelt es sich um ein bestimmtes Gerät, nämlich einen CO2-Detektor mit einer speziellen Messtechnik, erklärt eine Sprecherin der Weltbank auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Dieses Gerät soll Medizinern dabei helfen, schnell zu überprüfen, ob die Patienten richtig an ein Beatmungsgerät angeschlossen sind. Auch solch ein Gerät existiert schon lange.

Aber wie gelangt der doch recht allgemeine Code überhaupt in Verbindung mit Covid-19? Im April dieses Jahres hat die Weltzollorganisation (WZO) bestimmte HS-Codes zusammengestellt. Ihnen wurde kurzerhand eine neue Beschreibung gegeben. Diese sollte es den verschiedenen Handelspartnern erleichtern, sogenannte kritische Produkte, die bei Covid-19-Patienten angewendet werden können, leichter zu finden.

Die Umbenennung der Produktbezeichnungen sollte also vor allem nutzerfreundlich sein und die Datenbankrecherche vereinfachen. «Diese Produkte hatten zuvor für viele Jahre einen anderen Nutzen, sind aber in diesem Jahr Covid-19-spezifisch geworden», erklärt die Sprecherin der Weltbank auf Anfrage der dpa am 7. September 2020.

Aber warum werden da nun Daten ab 2017 aufgeführt? Das scheint ein reines Datenbank-Problem zu sein. Die nachträgliche, neue und spezifischere Beschreibung, wurde auf alle gehandelten Produkte seit 2017 übertragen. In dem Jahr gab es nach Angaben der Weltbank nämlich zuletzt eine Überarbeitung der Handelscodes.

Mittlerweile wurden die Bezeichnungen «Covid-19 Medical Supplies» in «Medical Diagnostic Test instruments and apparatus» und «Covid-19 Test kits» in «Medical Test kits» umbenannt. Außerdem wurde bei allen drei Nummern folgender Hinweis hinzugefügt: «Die Daten auf dieser Seite zeigen bereits vorher vorhandene Medizinprodukte, die jetzt von der Weltzollorganisation als kritisch für die Bekämpfung von Covid-19 eingestuft werden.» (Original: «The data here track previously existing medical devices that are now classified by the World Customs Organization as critical to tackling Covid-19.»)

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Links:

Facebook-Posting (6. September): https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10159191132628623&set=a.10150684384398623&type=3 (archiviert: https://archive.vn/LwCrF)

Online-Datenbank WITS: https://wits.worldbank.org/

Datenbankeinträge von 2017 mit der Bezeichnung «Covid-19 Test Kits» (archiviert): https://web.archive.org/web/20200904040543if_/https://wits.worldbank.org/trade/comtrade/en/country/ALL/year/2017/tradeflow/Exports/partner/WLD/nomen/h5/product/300215

Datenbankeinträge von 2017 mit der neuen Bezeichnung «Medical Test kits» und Hinweis: https://wits.worldbank.org/trade/comtrade/en/country/ALL/year/2017/tradeflow/Exports/partner/WLD/nomen/h5/product/300215

Datenbankeinträge von 2017 mit der neuen Bezeichnung «Medical Diagnostic Test instruments and apparatus» und Hinweis: https://wits.worldbank.org/trade/comtrade/en/country/ALL/year/2017/tradeflow/Exports/partner/WLD/nomen/h5/product/902780

PDF der Weltzollorganisation (archiviert): http://web.archive.org/web/20200907215915/http://www.wcoomd.org/-/media/wco/public/global/pdf/topics/nomenclature/covid_19/hs-classification-reference_edition-2_en.pdf?la=en)

Zolltarifnummer 38220: https://www.zolltarifnummern.de/2020/382200

Zolltarifnummer 300215: https://www.zolltarifnummern.de/2020/300215

Zolltarifnummer 902780: https://www.zolltarifnummern.de/2020/902780

«Open»-Faktencheck auf Italienisch: https://www.open.online/2020/09/07/i-kit-test-covid-19-venduti-nel-2018-la-teoria-del-complotto-nata-dallerrore-informatico-del-sito-wits

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