Berliner Polizist ist kein Schauspieler - Auftritte in Doku-Formaten
7.9.2020, 15:31 (CEST)
Die kurzzeitige Besetzung der Reichstagstreppe in Berlin durch rechtsextreme Demonstranten wird weiter viel diskutiert. Eine Behauptung in den sozialen Netzwerken lautet: Einer der drei Polizisten, die zunächst alleine vor dem Gebäude standen, soll ein Schauspieler sein - und der gesamte Vorfall eine Inszenierung. Als Belege werden ältere Fotos verbreitet, die den Beamten in Fernsehsendungen zeigen.
BEWERTUNG: Der Mann ist kein Schauspieler, sondern nach Angaben eines Sprechers Einsatzbeamter der Berliner Polizei. Er stand in der Vergangenheit mehrfach vor Kameras - allerdings nie für fiktionale Formate, sondern ausschließlich für journalistische Beiträge.
FAKTEN: Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur teilt die Berliner Polizei mit: «Bei dem Polizisten handelt es sich um einen Einsatzbeamten der Polizei Berlin.» Weitere Angaben macht die Pressestelle aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen nicht.
Im Netz finden sich diverse Auftritte des Polizisten in journalistischen Beiträgen, etwa in Reportagen. Die RTL-Sendung «stern TV» zeigte ihn 2017 in einer Reportage bei einem Einsatz am Kottbusser Tor im Stadtteil Kreuzberg und ließ ihn dort auch zu Wort kommen. Standbilder des Interviews (ab Minute 2:10) werden derzeit als vermeintlicher Beleg der «Schauspieler-Theorie» verbreitet.
Das Format «Achtung Kontrolle» des Senders Kabel eins zeigte den Polizisten ebenfalls im Einsatz am «Kotti» (ab Minute 7:20). Die Bilder stammen ebenfalls aus dem Jahr 2017. Auch hier kam er in einem sogenannten O-Ton zu Wort (ab Minute 9:20) - und auch aus diesem Beitrag werden nun Bilder als vermeintlicher Beleg verbreitet.
Das ARD-Boulevardmagazin «Brisant» wiederum bebildert einen aktuellen Beitrag über die Geschehnisse am Reichstag mit Archivbildern, die den Polizisten ebenfalls in Kreuzberg zeigen. Im Beitrag heißt es, er sei «früher Leiter der Brennpunktstreife am Kottbusser Tor» gewesen. Die Boulevardzeitung «B.Z.» erwähnt ihn im April 2017 als Einsatzleiter einer neu eingeführten Einheit.
Bei allen genannten Beiträge handelt es sich um journalistische Formate - also nicht um fiktionale oder sogenannte «Scripted Reality»-Beiträge mit Laiendarstellern. Als Beleg für die Behauptung, dass es sich bei dem Polizisten um einen Schauspieler handele, taugen die Beiträge dementsprechend nicht.
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Links:
Beitrag auf Facebook: https://www.facebook.com/Kyranja/posts/2655035308083572 (archiviert: https://archive.vn/VbIf5)
Video vom Einsatz am Reichstagsgebäude: https://twitter.com/AZeckenbiss/status/1299765974598549506 (archiviert: https://archive.vn/5KJDa; Video: http://dpaq.de/L4MPV)
Bericht über Empfang beim Bundespräsidenten: https://www.morgenpost.de/berlin/article230296380/Berlin-Diese-Polizisten-stoppten-die-Demonstranten-Steinmeier-bedankt-sich.html (archiviert: https://archive.vn/gVhGr)
«stern TV»-Reportage (2017): https://www.youtube.com/watch?v=QhJeUKGrgO4 (archiviert: https://archive.vn/PIpHr; Video: http://dpaq.de/LDiuq)
«Achtung Kontrolle» (2019): https://www.youtube.com/watch?v=No14caQI0Zk (archiviert: https://archive.vn/OFKGK)
«Achtung Kontrolle» (2017): https://www.kabeleins.de/tv/achtung-kontrolle/videos/2017173-gefaehrliches-pflaster-das-kottbusser-tor-clip (archiviert: https://archive.vn/CTKuL)
«Brisant»-Beitrag mit Archivbildern: https://www.mdr.de/brisant/demo-berlin-reichstag-polizisten-100.html (archiviert: https://archive.vn/uUIpL; Video: http://dpaq.de/KgDVD)
«B.Z.»-Artikel (2017): https://www.bz-berlin.de/berlin/friedrichshain-kreuzberg/brennpunkt-kottbusser-tor-mit-der-polizei-durch-eine-nacht-am-kotti (archiviert: https://archive.vn/f0JbH)
«FAZ»-Artikel mit Informationen über den Polizisten: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/steinmeier-wuerdigt-karsten-bonack-held-vom-reichstag-16931097.html (archiviert: https://archive.vn/uUIpL)
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