Bestattungsbranche klagt insgesamt nicht über Umsatzeinbrüche

21.08.2020, 12:16 (CEST)

Auf Facebook geht gerade die Behauptung um, dass im Bestattungsgewerbe - trotz Corona-Pandemie - Kurzarbeit herrsche und etliche Unternehmen Staatshilfe beantragt hätten. Als Beleg wird unter anderem ein Artikel aus der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (FAZ) angeführt, in dem eine Bestatterin über sinkende Sterbezahlen und Umsatzeinbrüche berichtet. Ein Facebook-User leitet daraus den Schluss ab, dass die Pandemie ein «Fake» sei.

BEWERTUNG: Die Behauptung ist irreführend, der Artikel nur unvollständig widergegeben. Wie dort beschrieben, beklagt das Bestattergewerbe insgesamt keine Umsatzeinbußen.

FAKTEN: Das Facebook-Posting ist mit einem Artikel der FAZ verknüpft, der sich der aktuellen Situation des Bestattungsgewerbes widmet. Der Titel: «Zu wenige Beerdigungen?»

Im Einstieg des Stückes wird eine Frankfurter Bestatterin zitiert, die schleppende Geschäfte beklagt. «Es versterben viel weniger Menschen als sonst», behauptet sie. Normalerweise, heißt es weiter, kümmere sie sich um 15 Beerdigungen pro Monat, seit Ausbruch der Pandemie Ende Februar seien es nur noch fünf. Ausgerechnet in Corona-Zeiten habe ihr Unternehmen darum Kurzarbeit anmelden müssen. Anderen Bestattern erginge es ähnlich, sie seien aber zu «genant», das zuzugeben.

Die Ausführungen der Bestatterin werden im FAZ-Artikel sogleich relativiert: Stephan Neuser, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Bestatter (BDB), der nach eigenen Angaben mehr als 80 Prozent aller Bestatter hierzulande vertritt, bezeichnet die Eindrücke als «subjektiv», sie ließen sich nicht auf die gesamte Branche übertragen. Die Zahl der Sterbefälle sei regional sehr unterschiedlich. Neuser: «Aber das ist immer so.» Sonderauswertungen des Statistischen Bundesamtes bestätigen seine Ausführungen. Aus ihnen geht hervor: Die Sterbefallzahlen liegen bundesweit im Mittel der Vorjahre.

Wenn es zu Zeiten der Pandemie Umsatzrückgänge gegeben habe, seien diese nicht auf die Anzahl, sondern den veränderten Rahmen von Trauerfeiern zurückzuführen, so Neuser. Wegen der Kontaktbeschränkungen seien meist nur sehr kleine Feiern möglich gewesen und auch offene Aufbahrungen oder Abschiednahmen konnten aufgrund der aktuellen Beschlusslage nur sehr eingeschränkt stattfinden. Die so verursachten finanziellen Einbußen seitens der Bestatter seien allerdings nicht als gravierend einzuschätzen.

Auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) bestätigt Neuser all seine in der FAZ getroffenen Aussagen. Und er betont: «Nach unserem Kenntnisstand haben die uns angeschlossenen 3.100 Bestattungsunternehmen überwiegend keine staatlichen Hilfsmechanismen wie Kurzarbeit in Anspruch nehmen müssen.»

Der FAZ-Artikel ist somit kein Beleg für die schlechte Geschäftslage des Bestattungsgewerbes. Noch weniger dafür, dass von der Corona-Pandemie keine Gefahr ausgehe.

Wissenschaftler haben immer wieder darauf hingewiesen, dass das SARS-CoV-2-Virus vor allem wegen seiner leichten Übertragbarkeit eine Gefahr für Menschen weltweit darstellt. Vor allem bei Risikogruppen - alten und vorerkrankten Menschen - kann eine Infektion mit dem Virus zu schweren, auch tödlichen Krankheitsverläufen führen.

Durch ein rasches gesamtgesellschaftliches Gegensteuern sowie die gut ausgebaute Gesundheitsversorgung in Deutschland, die bis dato noch nicht überbelastet wurde, ist die Corona-Todesrate hierzulande bislang vergleichsweise gering; nach aktuellen Zahlen der Johns-Hopkins-Universität sind bislang vier Prozent der Infizierten verstorben (Stand 20. August).

In anderen Ländern hat die Corona-Pandemie gravierende Folgen - wie etwa der Blick nach Südamerika offenbart. Der Kontinent zählt zu den am schwersten betroffenen Weltregionen. Allein Brasilien zählt mit mittlerweile mehr als 100.000 Toten mehr als die Hälfte aller Corona-Opfer in Südamerika.

In brasilianischen Städten wie Sao Paolo müssen die vielen Corona-Opfer teils in Massenbegräbnissen bestattet werden. Mitunter wurden Verstorbene exhumiert, um Platz zu schaffen für weitere Corona-Opfer.

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Links:

Beitrag auf Facebook: https://www.facebook.com/bladefusion/posts/3186204018161758 (archiviert: http://dpaq.de/CQaHb)

Artikel auf «faz.net» (hinter Bezahlschranke): https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/zu-wenige-beerdigungen-bestatter-in-kurzarbeit-16865665.html  (archiviert: http://archive.vn/QFDUO)

Website des «Bundesverbandes Deutscher Bestatter»: https://www.bestatter.de/ (archiviert: http://dpaq.de/zYeCo)

Sonderauswertung zu Sterbefallzahlen 2020 des Statistischen Bundesamtes: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Sterbefaelle-Lebenserwartung/sterbefallzahlen.html (archiviert: http://dpaq.de/jYBft)

Risikobewertung zu COVID-19 des RKI (Abschnitt: Infektionsschutzmaßnahmen und Strategie): https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html (archiviert: http://dpaq.de/QJNEAI)

Risikobewertung zu COVID-19 des RKI (Abschnitt: Ressourcenbelastung des Gesundheitssystems): https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html (archiviert: http://dpaq.de/QJNEAI)

Corona-Mortalitätsrate laut Johns-Hopkins-Universität (Stand 20. August 2020): https://coronavirus.jhu.edu/data/mortality (archiviert: http://dpaq.de/ACE0N)

Bericht über die Corona-Lage in Südamerika auf «bbc.com»: https://www.bbc.com/news/world-latin-america-53712087 (archiviert: http://dpaq.de/Gpcod)

dpa-Faktencheck zu Begräbnissen von Corona-Toten in Brasilien: https://www.presseportal.de/pm/133833/4636973 (archiviert: http://dpaq.de/vwywW)

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