Statistik zu Sexualdelikten falsch wiedergegeben

14.08.2020, 17:07 (CEST)

Unter der Überschrift «Vergewaltigungs-Hotspot Berlin: Merkels Migranten schänden jeden Tag 2 deutsche Frauen» beschäftigt sich die Webseite «Anonymousnews» mit Zahlen zu sexueller Gewalt in der deutschen Hauptstadt - insbesondere im Zusammenhang mit dem Thema Migration.

BEWERTUNG: Die Überschrift ist durch die zitierte Statistik nicht gedeckt. «Migrant» wird darin nicht als Kriterium aufgeführt. Richtig ist, dass es für Berlin im Berichtszeitraum im Schnitt zwei Vergewaltigungsdelikte pro Tag gibt. Etwas mehr als die Hälfte der Tatverdächtigen hat jedoch die deutsche Staatsangehörigkeit.

FAKTEN: «Anonymousnews» beruft sich auf eine Antwort des Berliner Senats auf eine Anfrage des fraktionslosen Mitglieds des Berliner Abgeordnetenhauses Marcel Luthe zu Zahlen sexueller Gewalt in Berlin. In dem Dokument werden die Zahlen der von der Polizei erfassten Fälle für den Zeitraum vom 24. Februar bis zum 7. Juli 2020 nach Kalenderwochen gestaffelt aufgeführt (ab Seite 1).

Die Behauptung, dass Zahlen «vom ersten März bis inklusive siebten Juli» vorlägen, stimmt nicht ganz. Tatsächlich lassen sich Angaben ab dem 2. März machen, der ein Montag war. Für diesen Zeitraum werden in den Tabellen 256 Vergewaltigungsdelikte aufgeführt und nicht - wie im Artikel behauptet - «234 vollzogene beziehungsweise 25 versuchte Fälle». «Versuchstaten» werden zwar auch gesondert ausgewiesen, sind nach Angaben des Senats aber auch in allen erfassten Fällen berücksichtigt.

Zu den Vergewaltigungsdelikten zählen in der Statistik die «Vergewaltigung im besonders schweren Fall», «Vergewaltigung im besonders schweren Fall mit Waffen/Werkzeugen oder Gefahr des Todes/schwere Gesundheitsschädigung» und «Vergewaltigung von widerstandsunfähigen Personen». Teilt man die Gesamtzahl von 256 durch die Zahl der Tage im genannten Zeitraum (128), ergibt sich tatsächlich ein Wert von zwei solcher Taten pro Tag.

Nicht durch die Statistik belegt ist jedoch die Behauptung in der «Anonymousnews»-Überschrift («Migranten schänden jeden Tag 2 deutsche Frauen»), die auch im Widerspruch zu den weiteren Angaben im Artikel steht. Unklar ist, was mit dem Begriff «Migrant» gemeint ist - ob er sich also beispielsweise lediglich auf Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit oder auf Menschen mit Migrationshintergrund bezieht. Zu letzteren werden von der Polizei «alle nichtdeutschen Personen» gezählt sowie «Personen, die trotz deutscher Staatsangehörigkeit eine nichtdeutsche Herkunft haben (frühere Staatsangehörigkeit oder Geburtsort), oder bei denen dies für wenigstens ein Elternteil gilt», wie es auch in der Antwort des Senats auf Seite 83 erklärt wird.

Die Senatsstatistik differenziert ab Seite 73 zwischen Tatverdächtigen mit und ohne deutsche Staatsangehörigkeit, berücksichtigt jedoch nicht das Kriterium Migrationshintergrund. Von Anfang März bis einschließlich zum 9. Juli 2020 wird im Zusammenhang mit Vergewaltigungsdelikten die Zahl von 207 Tatverdächtigen genannt. Von diesen haben 91 (44 Prozent) keine deutsche Staatsangehörigkeit, wie sich anhand der genannten Prozentzahlen errechnen lässt. Bei Fällen aus dem Bereich «Sexueller Übergriff» haben 38 von 77 Tatverdächtigen keine deutsche Staatsangehörigkeit, was einen Anteil von rund 49 Prozent ergibt. Für die Artikelüberschrift bieten diese Zahlen keinen Beleg.

Nicht durch die Statistik belegt ist zudem die Behauptung, im Schnitt werde «in Berlin alle 12 Stunden eine deutsche Frau vergewaltigt». Zur Nationalität der Opfer macht der Senat keine Angaben. Zudem ist dem Dokument ab Seite 34 zu entnehmen, dass, wenn auch nur zu einem kleinen Anteil, auch Männer Opfer von Vergewaltigungen geworden sind.

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Links:

Artikel auf «Anonymousnews.ru»: https://www.anonymousnews.ru/2020/08/02/berlin-migranten-schaenden-2frauen/ (archiviert: https://archive.vn/kKkS6)

Antwort des Berliner Senats: https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/S18-23980.pdf (archiviert: http://dpaq.de/5Zwqw)

Bericht zum Thema in der Tageszeitung «BZ»: https://www.bz-berlin.de/berlin/jeden-tag-ein-bis-zwei-schwere-vergewaltigungen-in-berlin (archiviert: https://archive.vn/vtF4o)

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