Quarantäne-Verweigerung: Sanktionen umfassen keine Einweisung in Psychiatrie

07.08.2020, 16:24 (CEST)

Um die Corona-Pandemie einzudämmen, dürfen Ämter in Verdachtsfällen eine Quarantäne verhängen. Was aber, wenn sich Betroffene nicht daran halten - droht ihnen dann eine Zwangseinweisung in die Psychiatrie? Diese Behauptung kursiert auf Facebook. Als Beleg dient das Foto eines Schreibens, in dem ein Gesundheitsamt eine Quarantäne für die Tochter des Empfängers anordnet.

BEWERTUNG: Die Anordnung ist echt. Falsch ist jedoch, dass das Amt mit der Einweisung in eine psychiatrische Einrichtung droht. Sanktionen sind allerdings durchaus möglich.

FAKTEN: Das im Netz verbreitete Schreiben geht auf eine Musterverfügung des Landratsamtes Karlsruhe zurück. Das bestätigte ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur am 6. August. Seinen Angaben zufolge geht es um den Fall in einer Schule in Bruchsal nahe Karlsruhe. Nachdem dort an einer Grundschule eine Lehrerin positiv auf das Coronavirus getestet wurde, mussten sich die Kinder in häusliche Quarantäne begeben.

Im Schreiben heißt es, dass Betroffene bei Nichteinhaltung «zwangsweise in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung abgesondert werden können». Das Amt verweist darauf, dass es sich hierbei am Wortlaut des Infektionsschutzgesetzes orientiert hat. Im Gesetz ist aber nicht von einer psychiatrischen Einrichtung die Rede. Es nennt vielmehr als Beispiel etwa einen abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses. Das kann also etwa eine abgetrennte Station sein, die dazu dient, dass Infizierte keine anderen Menschen anstecken.

Eine solche Zwangsmaßnahme sei Extremfällen vorbehalten und müsse von einem Richter angeordnet werden, erläutert das Landratsamt Karlsruhe. An eine Trennung des Kindes von den Eltern sei dabei nicht gedacht. Gegebenenfalls werde es zusammen mit einem oder beiden Elternteilen untergebracht.

Ähnliche Anordnungen gab es im Kreis Offenbach. In beiden Regionen haben die Schreiben für Kritik von Eltern gesorgt. Diese richtet sich auch gegen die von den Ämtern vorgegebenen Hygieneregeln, die den Leitlinien des Robert-Koch-Instituts entsprechen. Es empfiehlt in Fällen mit höherem Infektionsrisiko eine «zeitliche und räumliche Trennung der Kontaktperson von anderen Haushaltsmitgliedern». Das könne bedeuten, dass Mahlzeiten zu Hause nicht gemeinsam mit betroffenen Kindern eingenommen werden.

Kontakte innerhalb der Familie sind dabei aber nicht vollständig untersagt, wie das Landratsamt Karlsruhe erklärt. Die Hygieneregeln sehen lediglich vor, dass Kontakte zu anderen Personen «minimiert» werden sollen. Im Haushalt sollte «nach Möglichkeit» eine Trennung von anderen Familienmitgliedern eingehalten werden. Natürlich dürften und sollten sich die Eltern weiter vollumfänglich und altersgerecht um das Kind kümmern, ergänzt der Kreis Offenbach.

Grobe Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz können durchaus scharf geahndet werden. Es sieht eine Freiheitsstraße von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe vor, falls jemand einer «vollziehbaren Anordnung» zur Quarantäne zuwiderhandelt.

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Links:

Beitrag auf Facebook: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=1676324569192076&set=a.583678091790068 (archiviert: http://archive.ph/09YWi)

Infektionsschutzgesetz: https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/index.html#BJNR104510000BJNE004703116 (archiviert: http://archive.ph/y8Brc)

Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Kontaktperson/Management.html (archiviert: http://archive.ph/B7WGn)

Mitteilung vom Landkreis Karlsruhe: https://corona.karlsruhe.de/aktuell/statement-zur-aktuellen-berichterstattung-ueber-das-gesundheitsamt-karlsruhe (archiviert: http://archive.vn/QNWo7)

Mitteilung vom Kreis Offenbach https://www.kreis-offenbach.de/B%C3%BCrgerservice/Medienservice/Pressearchiv/Stellungnahme.php?object=tx,2896.5.1&ModID=7&FID=2896.9176.1&NavID=2896.11&La=1&startkat=350.868&direction=1&max=5 (archiviert: http://archive.vn/lbBwR)

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