Angebliches Macron-Zitat stammt aus der Überschrift eines Artikels

30.07.2020, 11:16 (CEST)

In den sozialen Medien geht ein Sharepic um, auf dem ein vermeintliches Zitat des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu lesen ist: «Deutschland muss lernen, seinen Wohlstand zu teilen.» Der Facebook-User kontert mit der Frage: «Warum lernen andere nicht, selbst welchen zu erwirtschaften?!» Abschließend erfolgt der Aufruf, dieses Bild zu teilen – damit Deutschland nicht noch mehr Geld an die Europäische Union bezahlen müsse.

BEWERTUNG: Das Zitat stammt nicht von Frankreichs Staatschef Macron. Es geht auf einen Meinungs-Artikel in der Zeitung «Die Welt» zurück, in dem eine Rede Macrons zum Ende des Ersten Weltkrieges eingeordnet und kommentiert wurde.

FAKTEN: Am 11. November 2018 fanden rund um den Globus Gedenkfeiern zum Ende des Ersten Weltkriegs 100 Jahre zuvor statt. Ob in Frankreich, England oder Indien: Weltweit erinnerten Menschen an die Millionen Soldaten, Zivilisten und Zivilistinnen, die bei den Kämpfen ums Leben kamen.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hielt bei der zentralen Gedenkfeier in Paris eine weithin beachtete Rede, in der er vor einem erstarkenden Nationalismus in der EU warnte. Seine zentrale Botschaft: «Die alten Dämonen steigen wieder auf - bereit, ihr Werk von Chaos und Tod zu vollenden.» Macron sprach hier - wie im Wortprotokoll seiner Rede nachzulesen ist - nur ein einziges Mal über Deutschland und bezeichnete es als engen Freund Frankreichs.

Drei Tage später, am 14. November 2018, erschien in der Tageszeitung «Die Welt» ein Kommentar, der Macrons Rede einordnete und dessen Appell bestärkte, klar gekennzeichnet durch den Hinweis «Meinung».

Der Titel dieses Artikels lautet: «Deutschland muss lernen, seinen Wohlstand zu teilen.» Der Autor führt darin aus: Man dürfe die EU nicht durch Egoismen und Nationalismen aufs Spiel setzen, solle solidarisch sein, zum Nutzen aller. «Ein reiches Land wie Deutschland muss lernen, seinen Wohlstand mit anderen Ländern zu teilen und Innovationen dafür zu nutzen, das Klima zu retten», heißt es dann im Text.

Urheber des bei Facebook verbreiteten Zitats ist also nicht wie behauptet Emmanuel Macron. Dem französischen Präsidenten wird die Überschrift eines Meinungs-Artikels in den Mund gelegt.

---

Links:

Beitrag: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=3360051500716892&set=a.156148031107271&type=3&theater (archiviert: http://archive.vn/uuMMR)

Bericht über Gedenkfeiern auf «zeit.de»: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-11/gedenken-ende-erster-weltkrieg-100-jahre-paris-london-fs (archiviert: http://archive.vn/qun0O)

Wortprotokoll von Macrons Rede am 11. November 2018: https://www.diplomatie.gouv.fr/IMG/pdf/181111_pr_rede_weltkriegsgedenken_1__cle4b762b.pdf (archiviert: http://dpaq.de/hqNMM)

Kommentar in «Die Welt» vom 14. November 2018: https://www.welt.de/wirtschaft/bilanz/article183816328/Neustart-fuer-Europa-Deutschland-muss-lernen-seinen-Wohlstand-zu-teilen.html(archiviert: http://archive.vn/Wvovb)

---

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com