Kein Waffeneinsatz gegen Corona-Infizierte - Videos aus mehreren Orten zusammengeschnitten

20.7.2020, 10:37 (CEST)

Das Coronavirus wurde zuerst in der chinesischen Metropole Wuhan nachgewiesen. In sozialen Medien wird nun behauptet, dort würden infizierte Menschen «umgebracht um den Virus nicht weiter zu verbreiten» (sic!). Dazu wird ein Video geteilt, das aus mehreren Teilen zusammengeschnitten ist: Zu sehen sind zuerst Bewaffnete in Schutzkleidung, dann Patienten, die anscheinend auf offener Straße medizinisch betreut werden, schließlich ein leblos am Straßenrand liegender Mensch (http://dpaq.de/oN7rM; archiviertes Video: http://dpaq.de/cDG8N).

BEWERTUNG: Die einzelnen Sequenzen wurden an verschiedenen Orten aufgenommen und manipulativ aneinandergereiht. Sie geben keinerlei Anhaltspunkte für die Tötung coronainfizierter Menschen. Eine der Sequenzen zeigt Medienberichten zufolge einen Polizeieinsatz wegen eines tollwütigen Hundes in der Stadt Yiwu, eine andere einen Motorradunfall im chinesischen Wuzu.

FAKTEN: Das Video zeigt lose Einzelsequenzen, die dramaturgisch zu einem scheinbaren Zusammenhang aneinandergefügt wurden. Doch haben die Aufnahmen überhaupt nichts miteinander zu tun:

1. Zunächst sind drei Polizisten mit Schutzanzügen und Schusswaffen an einem Einsatzwagen zu sehen. Nach Angaben der staatlich kontrollierten chinesischen Sendergruppe China Global Television Network (CGTN) gehört das Auto mit dem Kennzeichnung «G1796» zur Polizeidienststelle in Yiwu, einer Stadt in der ostchinesischen Provinz Zhejiang, rund 570 km Luftlinie von Wuhan entfernt. Auf CGTN-Anfrage antwortete die örtliche Polizei, dass die Beamten am 1. Februar 2020 im Einsatz wegen eines tollwütigen Hundes waren (http://dpaq.de/ZccJ7).

Demnach hat das Tier mehrere Menschen verletzt, weswegen die Polizisten mit Schusswaffen und Schutzausrüstung - unter anderem gegen das seinerzeit bereit grassierende Coronavirus - anrückten (http://dpaq.de/k0Whr).

2. In der zweiten Sequenz liegen auf einer Straße Menschen, über die sich Personen in Schutzanzügen beugen. Man hört es in regelmäßigen Abständen knallen. Waffen sind jedoch keine zu erkennen - ebenso wenig Schussverletzungen oder Blut. Auch von Panik, die man bei Schüssen erwarten könnte, ist nichts zu sehen.

Wahrscheinlich entstand diese Aufnahme während des chinesischen Neujahrsfestes, das in diesem Jahr auf den 25. Januar fiel (http://dpaq.de/xZvCf). So wurde die Filmsequenz an diesem Tag in einem Tweet verbreitet (mittlerweile gelöscht; archivierte Version: http://dpaq.de/Dp5OU). Darin wird davon berichtet, dass viele Menschen in ländlichen Gebieten um Wuhan trotz einer Infektion nicht im Krankenhaus behandelt würden. Die Geräusche im Hintergrund stammen demnach vom Neujahrsfeuerwerk. Ort und Zeit der Aufnahme konnten bislang sich nicht zweifelsfrei festgestellt werden.

3. Woher die Knallgeräusche stammen, die in der dritten Szenerie zu hören sind, ist nicht zu belegen. Nicht auszuschließen ist, dass sie nachträglich hinzugefügt wurden. Das Videomaterial wurde in Wuzu in der chinesischen Provinz Hubei aufgenommen - etwa 160 Kilometer östlich von Wuhan. Der genaue Ort wird in einem Tweet mit dem Video genannt: Nahe der Siyuan-Schule sei es zu einem tödlichen Motorradunfall gekommen (http://dpaq.de/k2WxS).

Anhand der Gebäude und Bäume lässt sich der Ort der Aufnahme bestimmen (http://dpaq.de/crdRS). Die Schule - auf dem Satellitenbild am unteren Rand - ist am Anfang der Videosequenz zu sehen (bei Minute 0:35; http://dpaq.de/cDG8N).

Auch nach CGTN-Angaben zeigt das Videomaterial einen Motorradunfall (http://dpaq.de/ZccJ7). Die Polizei teilte dem chinesischen Medium vor Ort mit, dass am 29. Januar 2020 ein 15-Jähriger und sein Cousin mit dem Fahrzeug auf einen Bordstein krachten. Ein Arzt des Krankenhauses in Wuzu sagte, der junge Fahrer sei nach dem Crash ohne Atmung und Herzschlag aufgefunden worden.

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Links:

Instagram-Post mit Video: https://www.instagram.com/p/B8kJrJIInem (archivierter Post: http://dpaq.de/oN7rM; archiviertes Video: http://dpaq.de/cDG8N)

CGTN über Fälle in Yiwu und Wuzu (mit Polizeireaktionen: https://news.cgtn.com/news/2020-02-13/How-a-motorcycle-crash-turned-into-online-rumors-O325md1XIA/index.html (archiviert: http://dpaq.de/P1r6f)

Video von CGTN: https://youtu.be/RlMb0v_cf-M

Archivierter Tweet vom 26. Januar 2020: https://web.archive.org/web/20200126122958/https:/twitter.com/charles984681/status/1221327847425335296

Tweet vom 1. Februar 2020: https://twitter.com/rypllpichqemrp1/status/1223456917583908864 (archiviert: http://dpaq.de/k2WxS)

Unfallort bei Google Maps: https://www.google.com/maps/place/30%C2%B010'00.9%22N+115%C2%B056'07.9%22E/@30.1661722,115.9343824,322m/data=!3m1!1e3!4m6!3m5!1s0x0:0x0!7e2!8m2!3d30.1669116!4d115.9355246

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