Verkürzt wiedergegeben
Selenskyj sprach über Unterschiede bei den US-Militärhilfen
18.2.2025, 15:57 (CET)
Wolodymyr Selenskyj hat der Nachrichtenagentur AP ein Interview gegeben und dabei unter anderem über die US-Militärhilfen für die Ukraine gesprochen. Social-Media-Postings greifen ein Zitat aus dem Gespräch ganz besonders auf: «Ich weiß nicht, wohin das ganze Geld geflossen ist.» In einem Sharepic heißt es dazu, Selenskyj «vermisse» eine Summe von «101 Milliarden Dollar» von der Militärhilfe. Auch Elon Musk hat einen Beitrag mit dieser Behauptung auf seiner Plattform X repostet.
Bewertung
Im Interview erläuterte Selenskyj verschiedene Arten von Hilfsleistungen der USA. Er meinte nicht, dass Geld verschwunden ist. Die meiste Unterstützung würde nicht in Form von direkten Finanztransfers an die Ukraine gehen. Viele Mittel sind etwa für die Herstellung und Lieferung von Waffen reserviert.
Fakten
Selenskyj sprach am 1. Februar 2025 mit der Nachrichtenagentur AP. Auf YouTube kann man das vollständige Video nachschauen. Der relevante Part mit dem verwendeten Zitat beginnt ab Minute 40:35. Insgesamt habe der US-Kongress 177 Milliarden Dollar bewilligt, sagte Selenskyj: «Wir haben nur etwas über 75 erhalten. Sprich, rund 100 Milliarden dieser 177 oder 200 Milliarden, wie manche behaupten, haben wir nie bekommen.» Die Ukraine habe laut des Präsidenten Waffen erhalten, und kein «Bargeld».
Selenskyj erklärt also den Aufbau der US-Hilfen. Veruntreuung beschreibt er nicht. Gesamt 174,2 Milliarden Dollar haben die USA in fünf Hilfspaketen genehmigt. Ein Teil wurde direkt in den Vereinigten Staaten verwendet, beispielsweise für die Waffenproduktion.
Nur ein Teil des Geldes geht direkt ans Militär
Rund 106 Milliarden Dollar flossen laut der Denkfabrik Council on Foreign Relations (CFR) direkt in die Ukraine. 70 Milliarden davon gab es für militärische Unterstützung. Das restliche Geld blieb in den USA und wurde für die Herstellung von Rüstungsgütern oder die Auffüllung eigener Bestände ausgegeben.
Auf gesamt 119 Milliarden Dollar an US-Hilfen kommt das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Bis Dezember 2024 habe die Ukraine davon 66 Milliarden als Militärhilfe und 50 Milliarden finanzielle Unterstützung erhalten. Durch unterschiedliche Definitionen und Berechnungsmethoden können die Berechnungen abweichen.
Auch in einer Publikation vom Februar 2023 (PDF, Seite 18-19) hat das IfW über die US-Hilfen für die Ukraine geschrieben: «Ein großer Teil der (damals) 113 Milliarden Dollar wird jedoch nicht direkt an die Ukraine fließen, sondern stattdessen für eine Reihe von Ausgabenzwecken verwendet. Beispiele hierfür sind (...) die Prävention von Terrorismus und Cyberkriminalität, Investitionen in die nationale Infrastruktur, groß angelegte Käufe von Militärgütern, die in den USA verbleiben sollen (...), oder Mittel, die für die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge in den USA bestimmt sind.»
Aussagen ohne Zusammenhang
Selenskyj nennt im Gespräch unterschiedliche Hilfsformen: «Trainings, Bildung, Transport, humanitäre Programme, Sozialprogramme». Er merkt an (frei übersetzt): «Ich weiß nicht, wo all das Geld hin ist.» Im von Musk geteilten Video ist die Aussage verkürzt, darauf basiert dann der Vorwurf von Korruption.
Der Beitrag beinhaltet am oberen rechten Rand ein Wasserzeichen, dass einen Hinweis auf die Herkunft gibt: Das Video wurde von der russischen Telegram-Gruppe @smotri_media verbreitet. Dort wurde es zumindest am Tag nach dem Interview, den 2. Februar, geteilt. Bevor Selenskyj seine Aussage präzisiert, endet der Ausschnitt.
Im ungekürzten AP-Interview ergänzt Selenskyj wenig später: «Es gibt vielleicht Hunderte verschiedener Programme.» Damit meint er nicht, dass Gelder verschwunden seien. Sie wurden stattdessen über verschiedene Kanäle verteilt. Er wisse zudem nicht, wie die Hilfen innerhalb der USA verwendet würden.
Keine Hinweise auf systematische Korruption
In der Ukraine gibt es immer wieder Berichte über Korruption. 2024 kam ein Korruptionsfall im Verteidigungsministerium ans Licht, bei dem rund 40 Millionen Dollar veruntreut wurden. Unter anderem berichtete die Nachrichtenagentur Reuters.
Für eine systematische Unterschlagung von US-Hilfen gibt es hingegen keine Belege. Amerikanische wie ukrainische Behörden kontrollieren die Verwendung streng. Bisher gab es keine Hinweise auf einen Milliardenbetrug.
(Stand: 18.02.2025)
Links
AP-Interview mit Wolodymyr Selenskyj auf YouTube (archiviert)
Ukraine Oversight: Finanzierung (archiviert)
CFR über US-Unterstützung (archiviert)
IfW über US-Unterstützung (archiviert)
IfW-Paper von 2023 (PDF, archiviert)
Geteilter X-Beitrag von Musk mit Behauptung (archiviert)
Reuters über Korruptionsvorwürfe in der Ukraine (archiviert)
Post in @smotri_media Telegram-Channel (archiviert)
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