Regulierung im Internet

Ehemaliger EU-Kommissar forderte, Gesetz zu Netzwerken anzuwenden

23.1.2025, 17:53 (CET)

Eine vermeintliche Aussage vom ehemaligen EU-Kommissar Thierry Breton löst Aufregung aus - dabei hatte er lediglich gefordert, dass soziale Netzwerke und ihre Eigentümer sich an europäische Gesetze halten.

Der ehemalige EU-Kommissar Thierry Breton gilt als federführend bei der Entstehung des Gesetzes über digitale Dienste (Digital Services Act/DSA). Doch als er sich jüngst in einem Interview auf das Gesetz bezog, wurde seine Äußerung in den sozialen Netzwerken in einen falschen Kontext gestellt.  

Laut mehreren Facebook-Postings (unter anderem hier und hier) soll Breton gedroht haben, die bevorstehende Bundestagswahl in Deutschland zu annullieren. Des Weiteren wurde behauptet, er habe zugegeben, dass die EU-Kommission für die Annullierung der Präsidentenwahl in Rumänien verantwortlich sei. 

Bewertung

Die Behauptung ist nicht zutreffend. Aussagen des ehemaligen EU-Kommissars für den Binnenmarkt und Dienstleistungen wurden einem Interview entnommen und in einen anderen Zusammenhang gestellt. 

Fakten

Das Zitat «Wir haben es in Rumänien getan und wir werden es offensichtlich, falls nötig, auch in Deutschland tun müssen» stammt aus einem Interview, das der Ex-EU-Kommissar am 9. Jänner dem französischen Sender BFMTV/RMC gegeben hat. In dem Gespräch wurde der Franzose zur Einmischung von Elon Musk, Chef von Tesla und X, in den Wahlkampf in Deutschland befragt. Der US-Unternehmer hatte Breton wegen der Vorschriften des Gesetzes über digitale Dienste (DSA) in der Vergangenheit scharf kritisiert. Es verpflichtet Betreiber großer Online-Plattformen wie Facebook oder X unter anderem, die Verbreitung illegaler Inhalte zu bekämpfen.  

«Grundsätzlich hat er (Musk) das Recht zu denken und zu sagen, was er will, auch wenn er es auf schockierende Weise tut», sagt Breton dem TV-Sender. Auf die Frage, ob X in der Europäischen Union verboten werden könne, antwortete er: «Was er hingegen in dem Netzwerk tut, auch wenn es ihm gehört: Sobald er in Europa operiert, regulieren wir. Das Gesetz ist da.» Bei Verstößen würden Geldstrafen und ein Verbot drohen.  

«Lassen Sie uns abwarten, was passiert. Bewahren wir einen kühlen Kopf und setzen wir unsere Gesetze in Europa durch, wenn diese umgangen werden könnten. Und die, wenn sie nicht durchgesetzt werden, zu Einmischungen führen könnten. Das haben wir in Rumänien getan und müssen es natürlich auch in Deutschland tun, wenn es nötig ist», lautet das später missbräuchlich verwendete Zitat (Minute 2:35).  

EU-Kommission führt wegen Rumänien Verfahren gegen TikTok

Breton verwies damit darauf, dass die EU-Kommission im Dezember ein Verfahren gemäß des DSA gegen den chinesischen Videodienst TikTok eingeleitet hat, da der Verdacht besteht, die Plattform habe keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen, um Risiken für die Rechtmäßigkeit der Präsidentenwahlen in Rumänien Ende November zu vermeiden. 

Am 24. November hatte der zuvor wenig bekannte Nationalist Calin Georgescu überraschend die erste Runde der Präsidentenwahl gewonnen. Zwei Tage vor der Stichwahl beschloss Rumäniens Verfassungsgerichtshof die Annullierung des Wahlergebnisses, da es Beweise dafür gebe, dass Georgescu von einer unfairen Kampagne in den sozialen Netzwerken profitiert habe, die vermutlich von Russland gesteuert worden sei. Moskau bestritt jegliche Einmischung.  

Breton hat also keine Annullierung von Wahlen in den Raum gestellt, sondern sich zur Anwendung des DSA in Rumänien und eventuell in Deutschland geäußert. Dennoch verbreitete beispielsweise die Webseite Visegrad24.com auf X: «Der ehemalige EU-Kommissar Thierry Breton sagt, die EU habe Mechanismen, um einen möglichen Wahlsieg der AfD zu verhindern: „Wir haben es in Rumänien getan und wir werden es natürlich auch in Deutschland tun, wenn es nötig ist.“»  

X-Besitzer Musk nahm dies als Anlass, den einstigen EU-Kommissar als «Tyrann Europas» zu bezeichnen. Breton stellte daraufhin klar: «Aber nein, @elonmusk: Die EU hat KEINEN Mechanismus, um irgendeine Wahl irgendwo in der EU zu annullieren.» Die EU-Kommission kann auch in Österreich kein Wahlergebnis annullieren. Wie in Rumänien erkennt der Verfassungsgerichtshof über eine Anfechtung von Wahlen.    

(Stand: 23.1.25)

Links

Bundesministerium für Justiz zu DSA (archiviert)  

Facebook-Posting 1 (archiviert)  

Facebook-Posting 2 (archiviert)  

Interview mit BFMTV/RMC (archiviert)  

MSN.com-Artikel zu Musk (archiviert

EU-Kommission zu DSA (archiviert)  

EU-Verfahren gegen Tik Tok (archiviert)  

ÖAW-Historiker Schmitt zur Präsidentenwahl in Rumänien (archiviert)  

Beschluss Verfassungsgerichtshof Rumäniens (archiviert)  

Visegrad24.com (archiviert)  

Musk und Breton auf X (archiviert)  

Wahlanfechtung in Österreich (archiviert)

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