Migranten sind Minderheit

Großstadtbewohner mehrheitlich im jeweiligen Land geboren

13.12.2024, 10:48 (CET)

Die Theorie eines «Bevölkerungsaustausches» wird vor allem in rechten Kreisen immer wieder diskutiert. Nun wird sogar behauptet, dass dieser in einigen europäischen Städten bereits Realität sei.

In den Niederlanden sei die einheimische Bevölkerung bereits «zahlenmäßig unterlegen», heißt es in der Rede einer Aktivistin, die sich aktuell über Soziale Medien verbreitet. Auch in anderen europäischen Städten wie London oder Brüssel übersteige die Zahl der Migranten jene der Einheimischen, behauptet sie. Die Angaben werden jedoch von keiner Statistik gestützt. 

Bewertung 

Die Behauptung ist falsch. Weder in den Niederlanden noch in London oder Brüssel leben mehr Migranten als Einheimische, wie aus den nationalen Bevölkerungsstatistiken hervorgeht. 

Fakten 

In ihrer Rede anlässlich der Conservative Political Action Conference (CPAC) in Budapest im April diesen Jahres behauptete die rechte niederländische Aktivistin Eva Vlaardingerbroek, in Amsterdam würden 56 Prozent Migranten leben, in Den Haag 58 Prozent und in Rotterdam fast 60 Prozent, in London 54 und in Brüssel gar 70 Prozent.

Nach Angaben des niederländischen Statistikamtes von 2023 sind jedoch lediglich rund 37 Prozent (340.488 Personen) der Einwohner Amsterdams nicht in den Niederlanden geboren. Den Haag hat demnach einen Anteil von Außerhalb-der-Niederlande-Geborenen von etwa 37 Prozent (209.844 Personen) und Rotterdam von nur rund 32 Prozent.

Von etwa 17,6 Millionen Menschen, die Anfang 2022 in den Niederlanden wohnten, wurden 74 Prozent im Land geboren - und auch deren Eltern. Drei Viertel der Bevölkerung hat also keinen Migrationshintergrund. 14,5 Prozent der niederländischen Bevölkerung wurden außerhalb des Landes geboren. 6,4 Prozent haben einen Elternteil, der nicht in den Niederlanden geboren wurde und bei gut fünf Prozent stammen beide Eltern aus dem Ausland. 

Auch über die beiden anderen genannten europäischen Städte - London und Brüssel - werden falsche Zahlen genannt. London hatte bei der letzten Volkszählung 2021 einen Anteil an Menschen, die nicht im Vereinigten Königreich geboren wurden, von 37 Prozent.

In der EU-Hauptstadt Brüssel wurden laut dem belgischen Statistikamt Statbel (2021) 46,2 Prozent der Bevölkerung nicht in Belgien geboren. Dieser vergleichsweise sehr hohe Wert ist unter anderem damit zu erklären, dass viele der EU-Institutionen und andere Organisationen ihren Sitz in der belgischen Hauptstadt haben: 19 Prozent der Brüsseler stammen aus einem anderen EU-Land. Für Expats gibt es sogar eigene Willkommensseite, die Hilfestellung für die erste Zeit in der neuen Stadt geben soll. 

Zum Vergleich: Von den gut zwei Millionen Bürgern in Wien waren nach Angaben der Stadt zuletzt knapp 1,2 Millionen in Österreich geboren, gut 800.000 hatten einen Geburtsort im Ausland. Von diesen im Ausland geborenen Wienern wiederum waren über 580.000 in Europa zur Welt gekommen, etwa die Hälfte von ihnen in der EU.

Das Konzept des «großen Austausches» («great replacement») basiert auf der unter Rechtsextremen und Verschwörungstheoretikern verbreiteten Annahme, dass aktuell ein «Bevölkerungsaustausch» stattfinde und die weiße, europäisch-christliche Bevölkerung durch eine mehrheitlich muslimisch geprägte Bevölkerung ausgetauscht werde. Die Theorie ist aber laut Experten nicht haltbar. 

(Stand: 13.12.2024)

Links

Facebook-Posting (archiviert, Video archiviert

Niederländisches Statistikamt zu Bevölkerungszahlen (archiviert

Niederländisches Statistikamt zu Bevölkerung mit Migrationshintergrund (archiviert

UK Office for National Statistics zu Bevölkerungszahlen (archiviert

Belgisches Statistikamt zu Bevölkerungszahlen (archiviert

Expat Welcome Desk Brüssel (archiviert

Bevölkerungsstatistik Wien (archiviert)

Artikel zu Theorie des Bevölkerungsaustausches (archiviert

Artikel “Warum kein Bevölkerungsaustausch stattfindet" (archiviert

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