Kriminalitätsstatistik

Aussagen über Zahl der Vergewaltigungen in Österreich irreführend

17.10.2024, 14:59 (CEST), letztes Update: 17.10.2024, 15:10 (CEST)

Die Kriminalstatistik zu lesen ist ein komplexes Unterfangen. Wenig überraschend kommt es dabei nicht selten zu Falschinterpretationen, vor allem wenn es um von Migranten verübte Verbrechen geht.

Migration ist ein Thema, das nicht nur Wahlen entscheidet, es dominiert die Schlagzeilen immer wieder. Vorsicht ist geboten, wenn für die Untermauerung von Behauptungen rund um Migration Statistiken herangezogen werden. So behauptet etwa eine reichweitenstarke Plattform, dass in Österreich im Jahr 300 Frauen von Migranten vergewaltigt werden. Kann das sein?

Bewertung

Dass in Österreich pro Jahr 300 Frauen von Migranten vergewaltigt werden, ist durch Zahlen nicht belegt. In der Kriminalstatistik wird nur zwischen In- und Ausländern unterschieden, ob ein Verdächtiger Migrationshintergrund hat, wird nicht erfasst.

Fakten

In dem Artikel wird als Quelle für die Zahlen eine parlamentarische Anfragebeantwortung des Innenministeriums genannt, die sich auf die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) beruft. Daraus geht hervor, dass pro Jahr etwa 300 Vergewaltigungsdelikte durch Ausländer angezeigt werden.

Allerdings fallen darunter alle Menschen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft. Neben Geflüchteten, Asylwerbenden oder Arbeitsmigrantinnen und -migranten fallen darunter also auch ausländische Studierende, Touristen oder etwa EU-Bürgerinnen und Bürger.

Das Kriterium «Migrant» oder «Migrationshintergrund» existiert in der PKS nicht, wie ein Sprecher des Bundeskriminalamtes (BK) auf dpa-Anfrage bestätigte. Das geht auch aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der FPÖ durch das Innenministerium (18482/AB) hervor. Alle Tatverdächtigen mit ausländischer Staatsbürgerschaft als «Migranten» zu bezeichnen, ist daher eine unzulässige Pauschalisierung.

Verurteilte Straftäter oft aus dem EU-Ausland

Zudem handelt es sich bei den Zahlen aus der Kriminalstatistik um angezeigte Delikte. Die Anzahl der tatsächlichen Verurteilungen wegen Vergewaltigung (§201 StGB) ist deutlich niedriger. Interessantes Detail in der Verurteilungsstatistik laut Justizministerium: Die vier Länder, aus denen die am häufigsten verurteilten nicht-österreichischen Staatsangehörigen stammen, sind Rumänien, Serbien, die Türkei und Deutschland - alle Straftaten (nicht nur Vergewaltigung) betreffend.

Wirft man einen Blick auf die Art der Täter-Opferbeziehungen, zeigt sich, dass die allermeisten Sexualdelikte im Familien- und Bekanntenkreis stattfinden. Laut Kriminalitätsbericht 2022 gab es bei Vergewaltigungsfällen (§201 StGB) in nur rund neun Prozent der Fälle keine Täter-Opfer-Beziehung.

Bevor tatsächlich Behauptungen zur Ausländerkriminalität aufgestellt werden, sollte man sich auch darüber bewusst sein, dass die Anzeigenbereitschaft Einfluss auf die Kriminalstatistik haben kann. Studien hätten gezeigt, dass «fremde oder als fremd wahrgenommene Menschen viel häufiger angezeigt werden als jene, die «zur eigenen Gruppe» gehören», betonte Veronika Hofinger, stellvertretende Leiterin des Institutes für Rechts- und Kriminalsoziologie der Universität Innsbruck, gegenüber der dpa.

Die kriminologische Forschung zeigt außerdem, dass entscheidende Faktoren für die Bereitschaft, Straftaten zu begehen, eher Bildungsniveau, Gewalterfahrung oder Armut als Herkunft oder Staatsbürgerschaft sind.

(Stand: 16.10.2024)

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Unzensuriert-Artikel (archiviert)

Polizeiliche Kriminalstatistik 2023 (archiviert)

Parlamentarische Anfragebeantwortung Innenministerium (archiviert)

Beilage zur parlamentarischen Anfragebeantwortung des Justizministeriums (archiviert)

Parlamentarische Anfragebeantwortung Justizministerium (archiviert)

Kriminalitätsbericht 2022 (archiviert)

Beitrag «Migration und Kriminalität» (archiviert) / Studie zu Gewaltkriminalität von Flüchtlingen (archiviert)

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