Positive Nebeneffekte

Pockenimpfung könnte HIV in Schach gehalten haben

26.9.2024, 18:09 (CEST)

Die Pockenkrankheit gilt seit 1980 als ausgerottet, Meldungen über das Virus gibt es jedoch nach wie vor. Darunter auch die Falschmeldung, dass die Pocken-Impfung die Ausbreitung von HIV begünstigt habe.

Ein alter Artikel der britischen «Times» macht aktuell wieder die Runde. Darin heißt es, dass die Aids-Epidemie von der Pockenimpfung ausgelöst worden sei. Der fast 40 Jahre alte Text wird noch immer in Sozialen Medien geteilt. Der Bericht ist zwar echt, aber dessen Inhalt nicht von den Fakten gedeckt.

Bewertung

Die Aids-Epidemie wurde nicht, wie die «Times» 1987 suggerierte, durch die Pocken-Impfkampagne ausgelöst. Vielmehr könnte dadurch die Ausbreitung von Aids temporär unterdrückt worden sein.

Fakten

Tatsächlich veröffentlichte die «Times» am 11. Mai 1987 einen umstrittenen Artikel, in dem es heißt, dass «die Aids-Epidemie möglicherweise von der Massenimpfkampagne, die die Pocken ausgerottet hat, getriggert wurde». Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) untersuche, ob die Immunisierung mit der Pockenimpfung das «schlafende HI-Virus erweckt» habe. Gleichzeitig wird aber schon damals betont, dass Ärzte diesbezüglich «gespalten seien» und Experten der WHO die Theorie in früheren Diskussionen wegen «unzufriedenstellender Beweise» verworfen hätten.

Noch am selben Tag nahm der «Evening Herald» Bezug auf den «Times»-Bericht und schrieb unter Berufung auf Wissenschaftler, dass die kolportierte Theorie «bizarre Spekulation» sei. Tags darauf titelte der «Irish Independet»: «Wissenschaftler verwerfen Theorie, die Aids mit Pocken in Verbindung bringt». Auch die WHO schrieb kurz darauf in einer Stellungnahme (Download), dass es keinen Zusammenhang zu beobachten gebe.

Aktuelle Studie legt Gegenteil nahe

Jahrzehnte später fanden Wissenschaftler der George Mason University in Virginia tatsächlich einen Zusammenhang zwischen der Impfung und der Verbreitung von Aids. Die Studie legt allerdings nahe, dass das Pockenserum die Vermehrung des HIV-Erregers im Körper deutlich hemmt, das Risiko einer HIV-Infektion also deutlich reduziert - und nicht begünstigt.

Es wird vermutet, dass das Vakzin ein Eiweiß blockiert, das sowohl von Pocken- als auch von HI-Viren benötigt wird, um in eine Zelle zu gelangen. Insofern könnte das Ende der Impfkampagne die zur gleichen Zeit beginnende rasante Verbreitung von HIV begünstigt haben, heißt es in der im Fachmagazin BioMed Central veröffentlichten Studie von 2010.

Eine 2018 in Guinea-Bissau durchgeführte Studie fand allerdings keinen Zusammenhang. Auch eine im selben Jahr im Senegal durchgeführte Studie, die bereits gegen Pocken geimpfte und HIV-infizierte Personen untersuchte, fand keinen Zusammenhang «zwischen einer früheren Pockenimpfung und dem Fortschreiten der HIV-Erkrankung».

Forscher nehmen an, dass das humane Immundefizienz-Virus (Human Immunodeficiency Virus) in Afrika in Affen entstanden ist. Meerkatzen (Halbaffen) sind dort mit Vorläufer-Viren infiziert. In Schimpansen entwickelte sich daraus das Simian Immunodeficiency Virus (SIV) durch Neukombination der ursprünglichen Viren. Auf den Menschen via Fleisch übertragen, wurde es schließlich zu HIV. Die bisher früheste Infektion mit HIV wurde in einer 1959 entnommenen Blutprobe aus Kinshasa im Labor belegt.

(Stand: 23.9.2024)

Links

WHO zur Pockenkrankheit (archiviert)

Telegram-Posting (archiviert)

Zeitungsartikel 1987 (archiviert)

WHO-Stellungnahme (auf Seite 31) (archiviert)

Studie George Mason University (archiviert)

Studie Guinea Bissau (archiviert)

Studie Senegal (archiviert)

Studie zum Ursprung von Aids (archiviert)

Artikel zur Übertragung durch Buschfleisch (archiviert)

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