Angaben zu Muslimen in Großbritannien fehlerhaft

Seit Jahren schon wandert immer wieder eine Liste mit Angaben über Muslime in England durch die sozialen Medien. Demnach sollen die Bürgermeister Londons, Birminghams oder Oxfords Muslime sein. Zudem soll es mehr als 3.000 Moscheen in England geben, und ein Großteil der Muslime dort nicht arbeiten. Doch viele der Angaben stimmen einfach nicht.

Bewertung

Der Beitrag enthält großteils falsche Informationen. Mindestens vier der neun Bürgermeister auf der verbreiteten Liste sind keine Muslime, die Zahl der Moscheen ist deutlich geringer und auch die Angaben zur Erwerbstätigkeit unter Muslimen sind falsch.

Fakten

Zuletzt kam es in Großbritannien in mehreren Städten zu rechtsextremen Ausschreitungen und Angriffen auf Moscheen und Flüchtlingsunterkünfte. Den Unruhen waren Falschinformationen über einen Angreifer vorausgegangen, der im englischen Southport mehrere Kinder getötet hatte. In diesem zeitlichen Zusammenhang findet das Posting über Muslime in England erneut Verbreitung.

Nicht alle Städte haben muslimische Bürgermeister

Vier der neun darin aufgelisteten Stadtoberhäupter sind gesichert keine Muslime. Die Städte Leeds, Birmingham, Blackburn und Oxford dementierten auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) durch ihre Sprecher, dass ihr Bürgermeister Muslim sei.

Der Bürgermeister von London, Sadiq Khan, ist genauso wie der Bürgermeister von Oldham, Zahid Chauhan, Muslim. Letzterer bestätigte das der dpa auf Anfrage. Die Stadt Luton berichtet der dpa, dass ihr keine Informationen darüber vorlägen.

Anzahl an Moscheen und Scharia-Räten geringer

Das Posting spricht von «über 3.000 muslimische Moscheen» in England. Nicht klar ist, worauf sich die Angabe genau bezieht: auf Großbritannien (Regionen England, Schottland und Wales), auf das Vereinigte Königreich (England, Schottland, Wales und Nordirland) oder tatsächlich nur auf die Region England?

Eine offizielle Zählung der Anzahl der Moscheen gibt es nicht. Das Forschungsinstitut Royal Geographical Society nennt 1.500 Moscheen für das gesamte Vereinigte Königreich. Ein Parlamentarier der damaligen konservativen Regierung schreibt im Jahr 2018: In England gebe es 1.500 Moscheen und Gebetshallen.

Dem Posting zufolge soll es zudem angeblich 130 «muslimische Scharia-Gerichte» und 50 «muslimische Scharia-Räte» in England geben. Scharia-Räte, auch Gerichte genannt, sind lokale Religionsgelehrte, die bei der islamischen Eheschließung und Scheidung beraten. Sie sind jedoch keine formellen Gerichte und haben «keinen Rechtsstatus und keine rechtsverbindliche Befugnis nach dem Zivilrecht», so ein Bericht des Innenministeriums. Diesem Papier zufolge gab es im Jahr 2018 zwischen 30 und 85 solcher Räte in England und Wales und keine einzigen in Schottland und Nordirland.

Erwerbsquote von Muslimen höher als angegeben

Eine weitere Behauptung in dem Posting: 78 Prozent der muslimischen Frauen und 63 Prozent der muslimischen Männer würden nicht arbeiten. Das ist ebenfalls falsch.

Im Juni 2022 waren in Großbritannien dem nationalen Statistikamt zufolge knapp 6 Prozent der Muslime über 16 Jahren arbeitslos und 38 Prozent nicht erwerbstätig («economically inactive»). Zu letzteren gehören beispielsweise Menschen, die studieren, die in Pension sind oder sich um Familie oder Haushalt kümmern.

Zahlen für die Regionen England und Wales aus dem Jahr 2021 zufolge waren 6,7 Prozent der Muslime arbeitslos und 41,9 Prozent «economically inactive». Bei Frauen war der Anteil höher (60,4) als bei Männern (37,1). Zu bedenken ist: 2021 war in England und Wales jeder dritte «economically inactive» Muslim im Alter zwischen 16 und 64 Jahren Student oder Schüler.

Finanzielle Unterstützung für Wohnraum, aber nicht kostenlos

Nach dem Zensus von 2011 lebten in England und Wales etwa 27 Prozent der muslimischen Haushalte in Sozialwohnungen, verglichen mit 18 Prozent aller Haushalte. Sozialer Wohnraum bedeutet aber nicht, dass dieser kostenlos ist, sondern nur, dass dieser vom Staat gefördert wird. Die Daten für England und Wales stehen exemplarisch dafür, dass die Zahlen aus der Liste unrealistisch sind.

Für die Behauptung, der Staat würde muslimischen Familien mit sechs bis acht Kindern eine kostenlose Unterkunft zur Verfügung stellen, finden sich keine Belege.

Ähnlich wie in Deutschland oder in Österreich können alle Menschen bei geringerem Einkommen finanzielle Unterstützung für ihre Miete beantragen. In bestimmten Fällen übernimmt auch der britische Staat die Kosten für die Wohnung. Allerdings ist dies vor allem vom Einkommen und Erwerbsstatus und nicht von der Anzahl der Kinder oder der Religion abhängig.

Daten zur Gesamtzahl von Muslimen nachvollziehbar

Das Posting spricht von «4 Millionen Muslimen». Im Vereinigten Königreich wird diese Zahl nicht insgesamt erhoben, sondern ergibt sich aus den Daten der einzelnen Regionen: In England und Wales waren es im Jahr 2023 etwa 3,87 Millionen Muslime und in Nordirland im Jahr 2021 10.870 Menschen. In Schottland waren es im Jahr 2022 von 5,4 Millionen Einwohnern 2,2 Prozent, also rund 120.000 Menschen.

Insgesamt dürfte es also tatsächlich knapp 4 Millionen Muslime in Großbritannien und Nordirland geben. Bei den Volkszählungen ist die Frage nach der Religion jedoch freiwillig, so dass eine gewisse Unsicherheit besteht.

(Stand: 28.08.2024)