Frei erfunden

«Turbokrebs» ist kein medizinischer Begriff

28.8.2024, 16:23 (CEST)

Katastrophen sind oft Anlass für Gerüchte - in diesem Fall soll ein Unglück in Brasilien für einen Corona-Verschwörungsmythos herhalten.

Der Flugzeugabsturz in Brasilien mit 62 Toten hat schockiert - es hat sich in sozialen Medien aber auch eine Falschinformation dazu weit verbreitet. Es heißt zum Beispiel auf Facebook, bei dem Absturz ums Leben gekommenen Ärzte hätten «Beweise für den Zusammenhang zwischen mRNA und Turbokrebs» veröffentlichen wollen.

Bewertung

Es handelt sich um eine erfundene Geschichte. Der vermeintliche Zusammenhang zwischen Impfungen und Krebs hat laut dem Robert Koch-Institut (RKI) keinerlei wissenschaftliche Grundlage. Die Wortschöpfung «Turbokrebs» ist ein Laienbegriff.   

Fakten

Zu der falschen Behauptung kursieren verschiedene Online-Beiträge. In einem der häufig geteilten Postings sind in schwarz-weiß die Gesichter von acht Menschen zu sehen - es soll sich um die beim Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen Krebs-Forscher und -Forscherinnen handeln.  

Ursprünglich wurde das Bild vom Instagram-Account der Universität «Estadual do Oeste do Paraná» sowie auf der Webseite der Uni veröffentlicht. Er zeigt mit der Universität in Verbindung gestandene Wissenschaftler und Wisenschaftlerinnen, die beim Flugzeugabsturz gestorben sind.

Aus der Mitteilung der Universität geht hervor, dass lediglich Mariana Comiran Belim als Assistenzärztin in der Onkologie tätig war. Die anderen Verunglückten arbeiteten oder studierten in den Bereichen Sport, Agrartechnik, Literatur, Radiologie, Dermatitis, Ernährungstherapie sowie Chemieingenieurwesen.  

Auch der regionale Ärzteverband von Paraná (CRM-PR) veröffentlichte eine Trauermitteilung, in der die Namen der beim Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen Ärzte und Ärztinnen genannt werden: Neben Belim, führt der Verband auch Dr. Arianne Albuquerque Risso an. Sie war demnach ebenfalls Assistenzärztin für Onkologie.

Es lassen sich auch die Namen aller anderen bei dem Flugzeugabsturz getöteten Menschen nachlesen. Die brasilianische Nachrichtenagentur Agência Brasil veröffentlichte die gesamte Liste.  

Mythos «Turbokrebs»

Unabhängig von den Fachbereichen der verstorbenen Menschen gilt, dass es sich beim Begriff «Turbokrebs» um keine tatsächliche medizinische Bezeichnung, sondern um einen Laienbegriff handelt. Verschwörungserzähler denken, dass er durch Impfungen mit mRNA-Impfstoffen ausgelöst wird.  

Geprägt wurde dieser Begriff von einem deutschen Rechtsanwalt auf einer Pressekonferenz namens «Pathologie-Konferenz». Er wies selbst darauf hin, dass dieses Wort nicht medizinisch gebräuchlich ist: «Turbokrebs, so nenne ich es mal, ist eine Erfindung von mir, ist also nicht unter medizinisch korrekter Bezeichnung segelnd, aber sehr einprägsam, denke ich» (ab Minute 3:03).  

Das deutsche Robert Koch-Institut (RKI) schreibt auf seiner Webseite, dass die in Sozialen Medien kursierende Behauptung, dass Impfungen krebserregende Stoffe enthalten würden, bei Menschen zu Verunsicherung und Ängsten führen würde - bei dem Ansprechen solcher Ängste handle es sich um eine «gezielte Strategie von Impfgegnern»: «Sie versuchen mit erfundenen Begriffen wie "Turbokrebs" eine Assoziation zwischen Impfungen und Krebs herzustellen. Doch dieser vermeintliche Zusammenhang hat keinerlei wissenschaftliche Grundlage».

Die Ursache des Flugzeugabsturzes in Brasilien wird noch ermittelt. Zuletzt wurde berichtet, dass der gesamte Inhalt des Flugdatenschreibers und Stimmenrekorders gesichert werden konnte. Mit der Sicherung dieser sogenannten Black Box können wichtige Daten analysiert und möglicherweise Schlüsse über die Unfallursache gezogen werden. 

(Stand: 28.8.24)

Links 

Instagram-Post von Universität «Estadual do Oeste do Paraná» (Unioeste) (archiviert

Beitrag auf Webseite von Universität «Estadual do Oeste do Paraná» (Unioeste) (archiviert

Mitteilung von Ärzteverband (archiviert)

Passagierliste (archiviert)  

Video von Pressekonferenz (archiviert)

Beitrag vom Robert Koch-Institut (RKI) (archiviert)

Medienbericht über Flugzeugabsturz (archiviert

Facebook-Posting 1 (archiviert)

Facebook-Posting 2 (archiviert)

dpa Faktencheck

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an factcheck-oesterreich@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.