Tonqualität beweist

Angeblicher Audio-Clip von Nawalnys Mutter ist gefälscht

11.04.2024, 19:36 (CEST)

Schon vor seinem Tod drehten sich viele Falschmeldungen um den russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny. Nun gerät seine Familie ins Visier der Propaganda-Produzenten.

Alexei Nawalny, der international bekannteste politische Gegner Wladimir Putins, ist nach einer langen Gefangenschaft am 16. Februar in einer Strafkolonie verstorben. Online wird seitdem ein Audio-Clip auf russischer Sprache verbreitet, in dem angeblich die Mutter von Nawalny seiner Witwe Yulia vorwirft, dass sie den Inhaftierten nie besucht habe. Ist dieser Clip echt?

Bewertung

Nein. Der Clip ist ein Fake, wie ein Vertrauter Nawalnys bestätigte. Die Stimme in dem russischsprachigen Clip hört sich nicht an wie die Mutter des Oppositionspolitikers. Noch dazu gibt es starke Hinweise auf eine Erstellung durch künstliche Intelligenz (KI).

Fakten

Nawalnys Team hat den Clip als Fake eingestuft. «Natürlich ist das eine Fälschung», hieß es via E-Mail auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.

Der Clip war schon vor Wochen weit verbreitet: Am 23. Februar kommentierte Iwan Schdanow, ein Anwalt Nawalnys, den Clip. In einer Sendung des russischen Nachrichtensenders TV Rain nannte Schdanow das Fragment als Beispiel für «die schmutzigen Methoden und Fälschungen» und die «schmutzigen Informationsspiele» der russischen Behörden in der Kampagne gegen Nawalny. Seit 2023 ist die Redaktion von TV Rain in Amsterdam ansässig. Der Sender ist in Russland inzwischen verboten, weil er nicht vor Kreml-Kritik zurückscheut.

Der Audio-Clip selbst ist nicht sehr glaubwürdig. Die Stimme klingt nicht wie die von Ljudmila Nawalnaja. Einige Worte sind undeutlich gesprochen, und die Eintönigkeit ist auffällig. In den Tagen vor dem Tod ihres Sohnes nahm Nawalnaja mehrere Videos auf, die von seriösen Sendern wie Euronews oder TV Rain ausgestrahlt wurden. Tonmaterial davon könnte als Grundlage für die Fälschung gedient haben.

Die Fälschung fällt auch von der technischen Seite auf. Die Abtastrate des Clips ist niedriger als das, was moderne Mikrofone erreichen können, was darauf hinweist, dass es nicht mit einem Mikrofon aufgenommen wurde. Um eine menschliche Stimme korrekt aufzunehmen, muss die Abtastrate, das heißt: die Häufigkeit, mit der ein analoges Signal pro Sekunde gemessen wird - mindestens doppelt so hoch sein wie die höchste aufgenommene Frequenz.

Messungen mit der Software Audacity ergeben, dass die maximale Frequenz des Audiofragments 11 kHz beträgt. Das bedeutet, dass die maximale Abtastfrequenz 22 kHz beträgt. Selbst einfache Mikrofone verwenden heute höhere Abtastraten. Künstlich generiertes Audio hingegen verwendet niedrige Abtastraten nahe 22 kHz. Dies sind starke Hinweise darauf, dass der Audio-Clip synthetisch erzeugt wurde.

Alexej Nawalny war schon häufig Zielscheibe von Falschmeldungen und Bildmanipulationen.

(Stand: 11.4.2024)

Links

Facebook-Claim (archiviert)

Interview (archiviert; archiviertes Video)

Video von Nawalnys Mutter (archiviert)

dpa-Faktencheck: Gesicht von Nawalny für Fotomontage missbraucht

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