Quellen falsch zitiert

Zahlen zu Masern und zur Impfung sind falsch

29.03.2024, 18:51 (CET), letztes Update: 29.03.2024, 18:54 (CET)

Menschen wollen sich und ihre Kinder aus verschiedenen Gründen nicht impfen lassen. Zur Masern-Impfung sind teils falsche Zahlen im Netz im Umlauf. Was steht wirklich in den angeblichen Quellen dafür?

Spätestens mit dem Aufkommen der Impfung gegen Covid-19 ist eine Impfskepsis in der Mitte der Bevölkerung angekommen. Manch einer versucht Stimmung damit zu machen und verbreitet in den sozialen Netzwerken - wissentlich oder unwissentlich - Falschmeldungen zu Impfungen wie etwa jener gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR): etwa, 1200 Kinder erlitten jährlich nach Angaben des deutschen Paul-Ehrlich-Instituts schwere Nebenwirkungen nach der Impfung, oder: es erkrankten nach Angaben des selben Instituts pro Jahr nur 10 Kinder an Masern, aber «mindestens 120 schwer erkrankte Kinder aufgrund der Impfung».

Bewertung

Die behaupteten Zahlen - sowohl im Postingtext, als auch im angehängten Video - sind nicht korrekt oder missverständlich wiedergegeben.

Fakten

In dem Posting findet sich die Behauptung, dass pro Jahr «bis zu 2300 Kinder» schwere Impfnebenwirkungen nach einer Masern-Impfung erlitten. Belegt sein soll dies durch Angaben des deutschen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) - es ist daher davon auszugehen, dass es sich um Zahlen für Deutschland handeln soll. Tatsächliche Zahlen des PEI weisen aber weniger als 1700 Verdachtsmeldungen im Zeitraum 2001 bis 2012 aus. Das waren pro Jahr rund 140 Verdachtsfälle, von denen rund drei Viertel als schwerwiegend eingestuft wurden.

Das PEI verweist im Bundesgesundheitsblatt 2013 außerdem darauf, dass «aus dem zeitlichen Zusammenhang eines unerwünschten Ereignisses mit einer Impfung und der Meldung nicht automatisch auch auf eine Kausalität geschlossen werden» könne. Zudem würden auch Ereignisse gemeldet, «die nicht auf die Impfung zurückzuführen sind (Overreporting)».

Als Quelle wird im Posting das Epidemiologische Bulletin 1/2024 angegeben. Dieses wird allerdings nicht vom PEI, sondern vom Robert Koch-Institut veröffentlicht. Im Bulletin 1/2024 sind Masern-Impfnebenwirkungen mit keinem Wort erwähnt. Darin zu finden sind die Zahlen aus dem Jahr 2023 zu meldepflichtigen Infektionskrankheiten in Deutschland. Bei Masern wird hier ein Wert von 57 ausgewiesen.

Die Aussagen scheinen ein Teil aus anderen Postings zu sein, in denen auch auf die 57 Masernfälle im Jahr 2023 eingegangen wird. Dort wird als Quelle dafür richtigerweise das Epidemiologische Bulletin 1/2024 angeführt, ehe sich auch dort die behaupteten 2300 Kinder mit schweren Impfnebenwirkungen finden - und ein Link zu einer Website, die beim Verhindern der Impfung des eigenen Kindes helfen soll.

Im angehängten Video werden wiederum andere Zahlen erwähnt. Demnach erkranken in Deutschland zehn Personen pro Jahr an Masern. Dieser Wert stimmte allerdings nur für 2021 und markierten den niedrigsten Wert seit 2001. Laut RKI waren die Zahlen der Pandemiejahre aufgrund der weltweiten Covid-19-Maßnahmen besonders niedrig.

Dem gegenübergestellt wurden «mindestens 120 schwer erkrankte Kinder aufgrund der Impfung» gegen Masern, auch hier sollen die Daten vom PEI stammen. Die Angaben könnten sich auf das oben erwähnte Bundesgesundheitsblatt 2013 beziehen. Allerdings ist darin von Verdachtsmeldungen die Rede und nicht von bestätigten Zusammenhängen mit der Masern-Impfung.

Laut RKI sind «schwerere unerwünschte Wirkungen der Impfung» selten. So wird das Risiko für Fieberkrämpfe «auf 1 pro 1150 bis 1700 verabreichte Dosen geschätzt», etwa drei von 100 000 Geimpften entwickeln eine idiopathische Thrombozytopenie, als einen Abfall der Blutplättchen. «Das Risiko nach der Impfung ist jedoch geringer als bei einer natürlichen Infektion mit Masernviren», heißt es dazu. In nur ein bis vier Fällen von 1 Million Geimpften kam es demnach nach der Impfung zu einer akuten allergischen Reaktion.

Weiters heißt es im Video, die Masern seien in Deutschland per WHO-Definition ausgerottet. Tatsächlich lagen die Werte aus den Jahren 2020 bis 2023 unterhalb der von der WHO geforderten Inzidenz von einem Fall pro Million Einwohner, ab der von einer Elimination der Krankheit gesprochen wird. Anfang Februar 2024 warnte die WHO allerdings vor seit 2023 wieder deutlich steigenden Masernfallzahlen in Europa.

In Deutschland ist der Status der Elimination bereits nach wenigen Wochen des Jahres 2024 erloschen. Laut dem Epidemiologischen Bulletin 12/2024 vom 21. März wurden bereits in den Wochen 1 bis 11 97 Neuerkrankungen registriert. In Österreich liegt dieser Wert noch höher: 347 bestätigte Masernerkrankungen wurden bis 26. März gemeldet - von einer Ausrottung kann in beiden Ländern nicht die Rede sein.

(Stand: 28.03.2024)

Links

Posting auf Facebook (archiviert) (Video archiviert)

Bundesgesundheitsblatt 2013 (archiviert

Epidemiologisches Bulletin 1/2024 (archiviert

Weiteres Posting (archiviert

RKI-Infos zur Elimination (archiviert

Masern-Daten aus Deutschland (archiviert

RKI-FAQ zur MMR-Impfung (archiviert

Eliminationsdaten aus Deutschland (archiviert

WHO-Warnung vor Masern (archiviert

Bulletin 12/2024 (archiviert

Aktuelle Fallzahlen aus Österreich (archiviert

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an factcheck-oesterreich@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.