WHO

Österreich trifft auch mit Pandemieabkommen souveräne Entscheidungen

15.02.2024, 08:36 (CET), letztes Update: 04.03.2024, 15:34 (CET)

Der Pandemievertrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) soll in diesem Jahr in Kraft treten. Doch er wird weder die Souveränität einzelner Staaten untergraben noch eine «WHO-Diktatur» zu Folge haben.

Nicht erst seit der Corona-Pandemie liest man im Netz viel Kritik an der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Ein Video auf Facebook unterstellt ihr, dass sie durch den internationalen Pandemievertrag, der derzeit in Bearbeitung ist, eine totalitäre Herrschaft aufbauen soll und so die Souveränität der Staaten untergraben würde. Damit einher gingen beispielsweise Impfzwänge und Ausgangssperren, die die WHO über die Stimmen von Staaten ausrufen dürfte. Stimmt das?

Bewertung

Die Behauptungen sind falsch. Durch den internationalen Pandemievertrag sollen Staaten bei einer neuen Pandemie besser gerüstet sein. Die WHO selbst kann keine harten Sanktionen anordnen, sondern nur kritisieren, wenn Staaten sich nicht an die Vorgaben halten. Außerdem ist es jedem Staat vorbehalten, den Pandemievertrag zu ratifizieren und Abkommen und Verträge im Rahmen seiner eigenen Verfassung anzuwenden.

Fakten

Der Pandemievertrag geht auf einen Vorschlag des Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, zurück. Damit soll ein internationales Werkzeug geschaffen werden, das Staaten besser für kommende Pandemien rüsten soll.

Es ist derzeit noch nicht klar, ob es sich bei dem Pandemievertrag tatsächlich um einen Vertrag, ein Rahmenübereinkommen oder eine Absichtserklärung handeln wird. Daher ist ein Argument für eine totalitäre Kontrolle der WHO - noch bevor die Rechtsform festgelegt ist - nicht glaubhaft.

Laut Armin von Bogdandy, Direktor des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, kann die WHO keine Lockdowns oder Therapien anordnen. Sie hat zudem keine Sanktionsmöglichkeiten und kann nur «naming and shaming» («Benennen und Beschämen») betreiben.

In einer Parlamentarischen Beantwortung von Gesundheitsminister Johannes Rauch wird ebenfalls beschrieben, dass Österreich ein stimmberechtigtes Mitglied der WHO ist und Beschlüsse im Konsens getroffen werden. Außerdem werde «die innerstaatliche Vorgangsweise gemäß der österreichischen Bundesverfassung erfolgen», so Gesundheitsminister Rauch zu Frage 7. Auf die Frage, was passieren würde, wenn Österreich im Falle einer Pandemie nicht den Vorgaben der WHO entsprechend handeln würde, schreibt Rauch, dass die Empfehlungen rechtlich nicht verpflichtend sind.

Im jüngsten Entwurf des Pandemievertrags vom 16. Oktober 2023, angefertigt von einem zwischenstaatlichen Verhandlungsgremium (INB), wird in Kapitel 1/Artikel 3/2 die Souveränität bekräftigt (Seite 7). Anders dürfte es die WHO gar nicht schreiben, denn in den Artikeln 4 und 19 der WHO-Verfassung ist verankert, dass Staaten, die Abkommen oder Verträge unterzeichnen, diese im Rahmen der eigenen Verfassung anwenden können. Dies spricht für eine anerkannte Souveränität der Staaten in jedem Abkommen, Vertrag oder jeder Absichtserklärung, die von der WHO geschrieben wird.

Ernstzunehmende Kritikpunkte an dem Pandemievertrag beziehen sich beispielsweise auf die überbordende Bürokratie, die damit einhergeht. So schreibt die Neue Zürcher Zeitung, dass der Maßnahmenkatalog zu umfangreich und teils auch kontraproduktiv sei. Außerdem seien Verhandlungen zum Pandemievertrag und zur Revision der Internationalen Gesundheitsvorschriften, die zeitgleich abläuft und auch entschieden werden soll, in einem Eilverfahren durchgeführt worden, ohne dass es dafür einen Grund gäbe. Sinnvoll sei beispielsweise, dass es zu einer «global gleichen Verteilung von Impfstoffen und Medikamenten» kommen soll.

Ein Kanal, auf dem Videos zum Podcast «Hoss und Hopf» verbreitet wurden, wurde einem «Spiegel»-Bericht zufolge am 14. Februar von Tiktok gesperrt. Auch Duplikate der Videos auf andere Kanälen wurden demnach «wegen gefährlicher Falschinformationen und gefährlicher Verschwörungstheorien» entfernt.

(Stand: 15.2.2024)

Berichtigung

Im letzten Absatz wurde präzisiert, dass laut «Spiegel» ein Tiktok-Kanal gesperrt wurde, auf dem Videos zum Podcast «Hoss und Hopf» verbreitet wurden.

Links

Posting auf Facebook (archiviert) (Video archiviert)

Internationales Übereinkommen zur Pandemieprävention und -vorsorge (archiviert)

Armin von Bogdandy (archiviert)

World Health Assembly (archiviert)

Interview Armin von Bogdandy (archiviert)

Beantwortung Parlamentarische Anfrage (archiviert)

Zum INB (archiviert)

Pandemievertrag Fassung vom 16. Oktober 2023 (archiviert)

WHO-Verfassung (archiviert)

Artikel in «Neue Zürcher Zeitung» (archiviert)

Artikel im «Spiegel» (archiviert)

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