Tausende am Jungfernstieg

Fotos von Hamburger Demo wurden nacheinander aufgenommen

31.01.2024, 16:21 (CET), letztes Update: 05.02.2024, 09:00 (CET)

Dass die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus in Deutschland regen Zulauf hatten, wollten nicht alle wahrhaben. So soll etwa ein Foto belegen, dass viel weniger teilnahmen. Doch das stimmt nicht.

Bis zu 80 000 Menschen demonstrierten am 19. Jänner in Hamburg unter dem Motto «Hamburg steht auf - gegen Rechtsextremismus und neonazistische Netzwerke». Da der Andrang die Erwartungen um ein Vielfaches überstieg, wurde die Demonstration abgebrochen. Die Bilder aus Hamburg gingen um die Welt. An genau diesen Bildern regte sich allerdings auch Zweifel: In Wahrheit war der Zulauf gar nicht so groß, heißt es mancherorts in den sozialen Medien.

Bewertung

Die Behauptung ist falsch. Beide Fotos sind echt und stammen vom 19. Jänner 2024, wurden allerdings zeitlich versetzt aufgenommen. Auch das obere Bild war in deutschen Medien zu sehen, etwa in der Tagesschau am späten Nachmittag.

Fakten

Um ihren Standpunkt zu untermauern, verweisen Skeptiker auf einen Vergleich zweier Bilder aus etwa demselben Blickwinkel. Auf dem oberen Foto sind deutlich weniger Menschen auf dem Jungfernstieg und der Reesendammbrücke zu sehen als auf dem unteren.

Das obere Bild stammt von einem Fotografen des NDR, der sein Bildmaterial vom Dach der Europassage aus anfertigte. Neben dem geteilten Foto nahm der Fotograf auch ein Video auf, das unter anderem Rahmen der Tagesschau um 17.00 Uhr ausgestrahlt wurde. Eine hochauflösende Version des Bildes zeigt tatsächlich deutlich weniger Menschen auf dem Jungfernstieg.

Der Grund dafür ist banal: Das obere Foto entstand schlicht früher als das untere. Auf Anfrage der dpa, wann genau der Fotograf das Bild geschossen hatte, informierte der NDR: «Er war dort um 15 Uhr und noch einmal von 16 Uhr bis zum Ende der Demonstration mit einem Fernsehteam, um Bilder zu drehen.» Das deckt sich mit der Zeit, die die Turmuhr der Alten Post auf dem Foto anzeigt: exakt 15.00 Uhr. Auch im Tagesschau-Beitrag ist die Zeit nach etwa 34 Sekunden gut ablesbar.

Das untere Foto aus dem Posting ist indes auf der Facebook-Seite des Hamburger Senats abrufbar. Auch hier verrät die Turmuhr den Aufnahmezeitpunkt von kurz nach 15.20 Uhr, also wenige Minuten vor dem offiziellen Veranstaltungsbeginn. Um 15.30 Uhr waren laut Polizei bereits rund 30 000 Teilnehmende am Jungfernstieg versammelt. Auch der NDR selbst veröffentlichte bei X ein Foto mit deutlich mehr Teilnehmern.

Die unterschiedlichen Aufnahmezeitpunkte werden nicht nur durch die Zeitangaben auf der Turmuhr belegt, sondern auch durch Wetterdaten. So wurden am 19. Jänner in Hamburg rund zwei Zentimeter Schnee gemessen. Dieser Schnee fiel laut detailliertem Wetterrückblick (auswählbar am Ende der Seite) über den Tag verteilt - vor allem in den frühen Morgenstunden, um die Mittagszeit und gegen 15.00 Uhr. Gegen 15.20 Uhr kam wieder die Sonne hervor.

Vergleicht man die beiden Bilder, bestätigen sie diese Angaben. Auf dem NDR-Foto von 15.00 Uhr sind Schneeflocken zu erkennen, die auch im Tagesschau-Video wahrnehmbar sind. Anders als vereinzelt behauptet, handelt es sich dabei nicht um Eisbrocken in der Alster. Laut dem Foto des Hamburger Senats wiederum blinzelte eine knappe halbe Stunde später die Sonne hervor und beleuchtete einen Teil der Menschenmassen.

(Stand: 31.01.2024)

Links

NDR-Bericht zum Protest in Hamburg (archiviert

Hamburger Abendblatt zum Abbruch (archiviert

Ankündigung der Demonstration (archiviert

Facebook-Posting mit Falschbehauptung (archiviert

dpa-Faktencheck zu weiterer Falschbehauptung

Reesendammbrücke auf Google Maps (archiviert

Tagesschau-Beitrag vom 19.1. um 17.00 Uhr (nur archiviert) (Video archiviert

NDR-Foto in Full-HD-Auflösung (archiviert

Foto vom Uhrenturm der Alten Post (archiviert

Foto auf der Facebook-Seite des Hamburger Senats (archiviert

Posting des NDR auf X (archiviert

Zweiwöchiger Wetterrückblick Hamburg (archiviert

Wetterrückblick Jänner gesamt (archiviert

Behauptung zu Eisbrocken auf X (archiviert, Screenshot gesichert vom Account des Comedians Shahak Shapira)

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