Bekannte Stimmungsmache
Mehrere Rechenfehler in Gegenüberstellung von Geldleistungen
25.1.2024, 17:10 (CET)
Es ist seit vielen Jahren ein gängiges Narrativ, insbesondere in rechten Kreisen: Asylwerber bekommen zu viel Geld und müssen dafür nichts tun. Arbeitenden österreichischen Staatsbürgern soll demnach kaum mehr - in manchen Fällen sogar weniger - Geld zum Leben übrigbleiben. Dass solche Rechnungen bereits vor vielen Jahren als falsch überführt wurden, scheint manche Menschen nicht davon abzuhalten, solche Postings immer noch zu verbreiten.
Bewertung
Vergleichbare Gegenüberstellungen existieren seit vielen Jahren. Bereits 2011 wurde ein Flugblatt, auf dem das aktuelle Posting offenbar fußt, von einer Menschenrechtsorganisation verurteilt und die darin angestellten Berechnungen auf Basis von Berechnungen aus 2009 als unwahr überführt.
Fakten
Die Beispielrechnung existiert in abgewandelter Form bereits seit mehr als einem Jahrzehnt. Vor bald zwölf Jahren sorgte der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache für mediale Aufmerksamkeit, weil er einen Vorläufer der aktuell kursierenden Version bei Facebook teilte.
Die damalige Rechnung basierte auf einem offenbar von der als rechtsextrem eingestuften Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik im Jahr davor verteilten Flugblatt. Damals verurteilte die Menschenrechts-NGO SOS Mitmensch die Veröffentlichung scharf und lieferte als Gegenbeweis eine im März 2009 von der Arbeiterkammer OÖ und der Volkshilfe OÖ veröffentlichte Berechnung der tatsächlichen Summen.
Seither wurden vergleichbare Rechnungen immer wieder veröffentlicht, etwa 2015 von der FPÖ Steiermark. Die finanzielle Unterstützung Asylsuchender war auf Basis einer noch drastischeren Gegenüberstellung auch schon Inhalt eines dpa-Faktenchecks.
Asylwerber oder Asylberechtigte?
Generell wird in solchen Postings nicht sehr genau zwischen den Begriffen Asylwerber und Asylberechtigte unterschieden. Auch die im aktuellen Posting verwendeten Zahlen lassen unklar, ob im Beispiel von Asylwerbern oder Asylberechtigten oder möglicherweise einer «Mischform», die es gar nicht gibt, die Rede ist.
Der Unterschied liegt im anerkannten Asylbescheid, den nur Asylberechtigte haben. Denn Asylberechtigte bekommen Sozialhilfe, die derzeit mit einer «Summe der Geldleistungen von Erwachsenen in einer Haushaltsgemeinschaft» mit 2 023 Euro gedeckelt ist, nicht aber zusätzliches Geld für Bekleidung und Schulbedarf. Diese Sonderzahlungen stehen Asylwerbern zu, die lediglich Anspruch auf die Grundversorgung haben.
Die angeführte Wohnbeihilfe können wiederum Asylwerber nicht beantragen. Auch Familienbeihilfe kann nicht beantragt werden, wenn Leistungen aus der Grundversorgung bezogen werden. Die Rechnung scheint damit Leistungen zu kombinieren, die in dieser Kombination nicht beantragt und bezogen werden können. Damit liegen die monatlichen Einnahmen sowohl für Asylberechtigte als auch Asylwerber klar unter dem angegebenen Wert.
Auch Berechnung für Facharbeiter fehlerhaft
Laut Brutto-Netto-Rechner der Arbeiterkammer bleiben einem Menschen, der 1 728,36 Euro pro Monat brutto verdient, nach Abzug von Sozialversicherung und Lohnsteuer derzeit 1 428,01 Euro, also erheblich mehr als im Rechenbeispiel. Inklusive Familienbeihilfe für drei Kinder, die im niedrigsten Fall im Rahmen des Rechenbeispiels liegt, wären das knapp über 1 800 Euro.
Allerdings ist der durchschnittliche Jahreslohn für einen Facharbeiter deutlich höher, als der Beispielrechnung zugrunde gelegt wurde. Einem Jobportal zufolge liegt der Gehaltsrahmen für Facharbeiter für die derzeit ausgeschriebenen Stellen zwischen knapp 30 000 Euro und knapp 47 000 Euro mit einem Mediangehalt von 36 800 Euro.
(Stand: 24.1.2024)
Links
Artikel aus 2012 auf krone.at (archiviert)
Eintrag zur AFP beim DÖW (archiviert)
Aussendung von SOS Mitmensch aus 2011 (nur archiviert)
Gegenüberstellung aus 2009 (nur archiviert)
SOS Mitmensch zum Facebook-Beitrag der FPÖ Steiermark (archiviert)
dpa-Faktencheck vom 22.12.2022
Begriffsbestimmungen zum Thema Asyl (archiviert)
Sozialhilfe und Mindestsicherung (archiviert)
Grundversorgung am Beispiel Wien (archiviert)
Informationen zur Wiener Wohnbeihilfe (archiviert)
Familienbeihilfe für Drittstaatsangehörige (archiviert)
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