US-Ärztin verbreitet Unwahrheit

WHO-Pandemieplan ersetzt keine Menschenrechte

11.01.2024, 10:11 (CET)

Die Weltgesundheitsorganisation will mit einem geplanten Pandemievertrag künftigen globalen Gesundheitskrisen effektiver begegnen. Doch Menschenrechte werden dadurch keine ausgehebelt.

Nach den Erfahrungen aus der der Coronavirus-Pandemie wollen die fast 200 Mitgliedsstaaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein globales Übereinkommen zur Pandemievorbereitung entwickeln. Über diese Pläne behauptet die US-Ärztin Meryl Nass, die 2022 ihre Lizenz wegen öffentlicher Kommentare zu Covid-19 und Impfungen verloren hatte, in einem Video: Damit wolle die WHO Menschenrechte aushebeln.

Bewertung

An keiner Stelle im WHO-Vorentwurf wird eine Untergrabung der Menschenrechtskonventionen erwähnt. Die Souveränität der Mitgliedstaaten wird sogar bekräftigt.

Fakten

Ende 2021 hat sich die Weltgesundheitsversammlung (englisch: World Health Assembly) der WHO darauf verständigt, eine Vereinbarung zur besseren Prävention, Vorbereitung und Reaktion auf Pandemien zu treffen. Die World Health Assembly besteht aus Delegationen der 194 WHO-Mitgliedstaaten. Das internationale Gremium Intergovernmental Negotiating Body (INB) soll die Abmachung ausformulieren.

Anfang 2023 wurde der Vorentwurf («Zero Draft») veröffentlicht, mit dem Ziel, die existierenden Internationalen Gesundheitsvorschriften (IHR) zu ergänzen. Der endgültige Bericht soll auf der Weltgesundheitsversammlung aber erst im Mai 2024 vorgelegt werden. Die endgültige Entscheidung über die Annahme des Instruments liegt dann bei den WHO-Mitgliedstaaten.

Was der Vorentwurf beinhaltet

Bereits zu Beginn des 32-seitigen «Zero Draft» wird das Ziel des geplanten Abkommens festgehalten: Auf der Grundlage von Gerechtigkeit, Menschenrechten und Solidarität sollen der höchste Gesundheitsstandard für die Menschen sowie eine universelle Gesundheitsversorgung, die die souveränen Rechte der Staaten anerkennt, gewährleistet werden.

In Artikel 4 (S. 10) heißt es, dass die IHR-Anpassungen «unter uneingeschränkter Achtung der Würde, der Menschenrechte und der Grundfreiheiten der Person» stattfinden sollen, und «jede Vertragspartei diese Freiheiten schützt und fördert».

Nach Artikel 14 (S. 21) sollen die Staaten, wenn sie Vorschriften und Gesetze zum Schutz vor Pandemien einführen, Menschenrechte achten und einbeziehen. Mögliche Einschränkungen müssen mit dem internationalen Recht in Einklang stehen.

Zentraler Vorwurf US-Ärztin noch gar nicht ausformuliert

In ihrem Statement behauptet Nass weiterhin, der WHO-Generaldirektor erhalte dem Vorentwurf zufolge die Macht, eine Pandemie auszurufen, und dass die Mitgliedstaaten dem folgen müssten.

Tatsächlich steht im «Zero Draft» dass der WHO-Generaldirektor aus einer Notwendigkeit zur Koordination der internationalen Gesundheitsarbeit Pandemien erklären soll (Artikel 15.2, S. 22) - allerdings mit dem Hinweis in zwei Fußnoten (S. 9 und S. 22), dass der Intergovernmental Negotiating Body die Modalitäten und Umstände sowie den rechtlichen Rahmen für solch einen Schritt noch ausdiskutieren solle.

Bereits bisher hatte die WHO durch die Internationalen Gesundheitsvorschriften das Recht und die Pflicht, gesundheitliche Notsituationen auszurufen. Davon hat sie während der Covid-Pandemie Gebrauch gemacht. Dabei handelte es sich allerdings um Empfehlungen, nicht um Weisungen.

Die Entscheidungen über Maßnahmen in einer Gesundheitskrise wie einer Pandemie bleiben unverändert bei den Mitgliedstaaten, da internationale Verträge der WHO-Verfassung zufolge (S. 1) keine Demokratie oder Regierungen aushebeln können.

Die dpa hat bereits in Faktenchecks wie diesem den WHO-Pandemievertrag unter die Lupe genommen.

(Stand: 11.1.2024)

Links

Facebook-Posting mit Falschbehauptung (Posting archiviert, Video archiviert)

WHO-Mitteilung über INB-Treffen im Dezember 2023 (archiviert)

Informationen über die World Health Assembly (archiviert)

WHO-«Zero Draft»-Entwurf (archiviert)

Zeitplan zur Ausarbeitung des Vertrags (archiviert)

Europäischer Rat: «Ein internationales Übereinkommen zu Pandemien» (archiviert)

International Health Regulations 2005 (archiviert)

Lizenzstatus von Meryl Nass im US-Bundesstaat Maine (archiviert)

WHO-Verfassung (archiviert)

CDC mit einem Überblick über die IHR (archiviert)

dpa-Faktencheck über WHO-Pandemievertrag

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