Falsch zitiert

ZIB2-Beitrag zu Gaza spricht von Opfern, nicht von Toten

28.12.2023, 16:08 (CET)

Sich über Äußerungen anderer aufzuregen, ist erlaubt. Dann sollten diese Äußerungen aber auch so gefallen sein. Und das trifft nicht immer zu. Genaues Hinhören hilft. So auch in diesem Fall.

Die Berichterstattung über den Krieg in Israel ist ein heikles Thema. Dabei Ausgewogenheit zu erreichen und einen unparteiischen Blickwinkel einzunehmen, ist oftmals eine Gratwanderung. Dem ORF wurde wiederholt eine pro-palästinensische Haltung vorgeworfen. Das gipfelte kurz vor Weihnachten in der Unterstellung, der ORF würde palästinensische Inszenierungen mit Toten, die gar nicht tot sind, als Nachrichten senden. 

Bewertung 

Das Bildmaterial stammt laut ORF von unabhängigen Agenturen und wurde mehrfach auf seine Echtheit geprüft. In dem Beitrag wird an keiner Stelle behauptet, dass die gezeigten Personen tot seien. 

Fakten 

Bei eXXpressTV auf YouTube wird polemisch vom «größten Wunder seit Lazarus» gesprochen. Gezeigt wird dazu ein Ausschnitt aus der "Zeit im Bild 2” vom 17. Dezember 2023, in dem ein palästinensischer Mann «die Opfer dieser kriminellen Aggression» beklagt. Währenddessen bewegt sich eine der vor ihm auf der Ladefläche eines Wagens liegenden Personen, deren Gesichter unkenntlich gemacht wurden. 

Opfer sind nicht unbedingt Todesopfer

Diese im Rahmen der ZiB-Spätnachrichten ausgestrahlte Sequenz wird im exxpress-Video als «Fake-Beitrag» bezeichnet. Denn die beiden Familienangehörigen des Mannes sollen «angeblich tot» gewesen sein – davon ist im Original-Beitrag des ORF aber nie die Rede. Dort fällt im Zusammenhang mit «Zivilbevölkerung» lediglich der Begriff «Opfer», der auch Verletzte einschließt. 

Es gibt auch keine Anhaltspunkte, dass der Mann die Menschen auf dem Karren vor ihm als tot bezeichnet haben könnte. «Das sind die Opfer dieser kriminellen Aggression», sagt der Mann laut ORF-Übersetzung, während er auf die beiden vor ihm liegenden Menschen zeigt. 

Unklar ist, wann im Original dieser Satz fällt, denn der O-Ton der ORF-Sprecherin überlagert die Ausführungen des Mannes. Zu Beginn der kurzen Sequenz spricht er auf Arabisch darüber, dass die Personen im Vordergrund «zehn Tage im Krankenhaus» gewesen seien. 

ORF stellt klar: «Opfer», nicht «Leichen» 

Auf X informierte ORF-Sendersprecher Martin Biedermann, dass der ORF rechtliche Schritte prüfe. Das verwendete Material stamme von der European Broadcasting Union (EBU) und Reuters, sei geprüft und auch einem internen Faktencheck unterzogen worden. Weiters werde «im Beitrag nicht der Begriff "Leichen" verwendet», sondern «Opfer». Die Unkenntlichmachung der beiden Personen auf dem Karren erfolgte demnach aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen. 

Der gesamte ZIB2-Beitrag handelt von einer Razzia der israelischen Armee in einem Krankenhaus im Norden des Gazastreifens. Unter Berufung auf den arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira heißt es, dass Israel mit einem Bulldozer Zelte von Vertriebenen zerstört und Menschen getötet habe. Das bezieht sich aber nicht auf die später gezeigten Personen auf dem Karren.

Der entsprechende Artikel von Al-Dschasira ist online abrufbar. Die Aussagen der darin zitierten Ärzte und Augenzeugen lassen sich allerdings kaum unabhängig überprüfen. Israel will bei dem Einsatz 90 Terroristen festgenommen haben.

(Stand: 28.12.2023) 

Links

eXXpressTV-Beitrag auf YouTube (archiviert

“ZIB 2” vom 17.12.2023 (nur archiviert)

Biedermann-Tweet (archiviert

Bedeutung Opfer (archiviert)

dpa-Bericht über die Razzia via «RND» (archiviert

Artikel von Al-Dschasira (archiviert)

Stellungnahme Israels (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an factcheck-oesterreich@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.