Deutsche Politikerin kritisierte Krisenanfälligkeit der französischen Atomkraft

Während die Grünen in Deutschland lange für das heuer umgesetzte Aus der Atomkraft gekämpft haben, beschwert sich die Grünen-Politikerin Ingrid Nestle im Bundestag über zu wenig gelieferten Atomstrom aus Frankreich? Das wird anhand von Auszügen aus einer Rede unterstellt, die in den sozialen Netzwerken geteilt werden. Aber halten sie einer Überprüfung stand?

Bewertung

Die Rede wurde bereits im September 2022 gehalten und dauerte deutlich länger als der online geteilte Auszug. Nestle stellt darin die fehlende Verlässlichkeit der französischen Atomkraftwerke als eines der Probleme für Europas Energieversorgung dar. Aus der gesamten Rede lässt sich keine grundsätzliche Unterstützung der Atomkraft oder des Imports von Atomstrom aus Frankreich ableiten. Andere Äußerungen von Nestle zeigen, dass sie einen Ausbau der Atomkraft nicht befürwortet.

Fakten

Im Sommer 2022 gab es Berichte über Probleme in der französischen Stromproduktion aufgrund veralteter und wartungsbedürftiger Atomkraftwerke. Die «Süddeutsche Zeitung» schrieb am 15. September 2022, dass 27 von 56 Anlagen außer Betrieb seien. Der Klimawandel verschärfe die Lage. Da der trockene Sommer zu einem Mangel an Kühlwasser führe, müssten «Reaktoren ihre Leistung herunterfahren». Laut einem Bericht von ntv musste Frankreich deswegen sogar Strom importieren - auch aus Deutschland. Die Situation führe zu höheren Preisen.

In Deutschland lief zur selben Zeit eine Debatte über die Verlängerung der Laufzeit der letzten Atomkraftwerke angesichts der Probleme mit russischen Gaslieferungen infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine. Der Atomausstieg wurde schließlich nach dem Winter im ersten Halbjahr 2023 vollzogen, als die drei verbliebenen Kraftwerke abgeschaltet wurden.

Immer wieder gibt es Kritik, dass Deutschland wegen fehlender eigener Kapazitäten Atomstrom aus Frankreich importieren müsse. Die deutsche Bundesregierung erklärte dazu im September, dass «immer mal wieder Strom aus dem Ausland» eingekauft werde, Deutschland aber eigentlich Stromexporteur sei.

In diesem Zusammenhang wurde in den sozialen Netzwerken der Auszug aus der Rede der Grünen-Abgeordneten Nestle verbreitet, die sie bereits am 28. September 2022 im deutschen Bundestag zum Thema Energiesicherheit gehalten hatte. Aus einem vollständigen Mitschnitt der mehr als fünf Minuten langen Rede und aus dem Plenarprotokoll geht hervor, dass sie darin «drei Krisen im Energiebereich, die gerade gleichzeitig Europa erschüttern», feststellte:

• einen «Energiekrieg» Putins gegen Europa und die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen
• «die miserable Verfügbarkeit der Atomkraftwerke in Frankreich» und allgemein die Atomenergie
• die Klimakrise, zum Beispiel weil Dürren die «Verfügbarkeit der Wasserkraft in Europa» verschlechtern

Aus dem Protokoll und dem vollständigen Mitschnitt der von zahlreichen Zwischenrufen unterbrochenen Rede lässt sich nicht ableiten, dass Nestle mehr Importe von Atomstrom aus Frankreich forderte. Ihre Intention scheint weniger zu sein, den Atomstrom aus Frankreich als Option für Energiesicherheit darzustellen. Sie dürfte mit ihren Aussagen vielmehr die Krisenanfälligkeit der Atomkraft kritisieren.

Weitere Aussagen von Nestle stützen diese Interpretation. So äußerte sie sich Anfang 2022 ablehnend zum Vorstoß der EU-Kommission, Atomkraft als klimafreundlich einzustufen. Im Jahr 2021 thematisierte sie in einer Presseaussendung die gestiegenen Baukosten für einen französischen Reaktor.

(Stand: 22.12.2023)