Grenze nicht geschlossen

Stau durch schärfere Kontrollen in der Ukraine

29.01.2024, 15:22 (CET)

Ein Video soll Ukrainer zeigen, die nach einem Heimaturlaub zu Weihnachten nicht mehr von Polen ins Land gelassen werden. Allerdings hat Polen die Grenze gar nicht geschlossen.

Ist es an der ukrainisch-polnischen Grenze zu einem Stau gekommen, nachdem heimgekehrte Ukrainer nach Weihnachten angeblich wieder nach Polen einreisen wollten? Das behaupten zumindest Beiträge in Sozialen Medien. «Polen lässt sich nicht mehr von der Ukraine verarschen und schließt die Grenzen,» heißt es dort etwa. Entspricht das der Wirklichkeit?

Bewertung

Polen hat seine Grenzen nicht geschlossen. Das Bildmaterial ist zwar an einem polnisch-ukrainischen Grenzort entstanden, der Grund für den Stau waren aber vermutlich verschärfte Kontrollen bei der Ausreise aus der Ukraine.

Fakten

Die Grenzübergänge sind von polnischer Seite weiterhin zur Einreise offen und waren es auch in der Zeit von Weihnachten bis Silvester. Auf dem X-Account der polnischen Grenzkontrolle lässt sich sogar genau die Anzahl der täglichen Abfertigungen nachverfolgen. Laut deren Informationen wurden etwa am 30. Dezember, dem Tag, an dem die Behauptung erstmals kursierte, 22 000 Menschen und am 31. Dezember 19 800 Menschen an Grenzübergängen von der Ukraine nach Polen abgefertigt.

In diesem Zeitraum wurde auch ein Posting auf dem Instagram-Account des ukrainischen Radiosenders «Radiotrek» verbreitet, das zu den frühesten Veröffentlichungen des Bildmaterials zählt. Der in den viralen Postings geteilte Bildausschnitt stammt aus diesem Video. Laut «Radiotrek» seien ukrainische Männer an der Grenze auf Dokumente hinsichtlich ihrer Wehrtauglichkeit geprüft worden. Es wird in den Raum gestellt, dass nun auch Männer mit gewissen körperlichen Einschränkungen beim Grenzübertritt verschärft kontrolliert würden.

Diese Erklärung wird durch andere Informationen untermauert. Am Tag zuvor hatte etwa auch die ukrainische Polizei über Telegram Verkehrsblockaden am Grenzort Shehyni verkündet.

Dass die Aufnahmen dort entstanden sind, lässt sich bei Google Maps überprüfen. Das Video ist aber nicht direkt bei der Grenze entstanden, sondern etwa 3,5 Kilometer entfernt bei einer «WOG»-Tankstelle am Ende des Orts auf der ukrainischen Seite. Die grüne Tankstelle und die Preisanzeige sind in den Aufnahmen zu erkennen.

Die ukrainische Regierung hatte zuletzt Verschärfungen bei der Mobilmachung neuer Soldaten angekündigt. Seit Beginn der russischen Invasion dürfen wehrpflichtige Männer zwischen 18 und 60 Jahren das Land nur in Ausnahmefällen verlassen, einige flüchteten aber dennoch ins Ausland und sind dort für die ukrainischen Behörden schwer greifbar.

Die Gerüchte über schärfere Kontrollen an der Grenze verbreiteten sich offenbar schnell, sodass am 30. Dezember sogar der Grenzschutz selbst reagierte. Er stellte klar, dass sich nichts an den Regeln für den Grenzübertritt geändert hätte, man aber weiterhin die Hintergründe der Ausreisenden genau prüfen würde. Nur kurze Zeit später gab der Grenzschutz allerdings bekannt, dass Männer mit mehreren Kindern nun schärfer auf ihre Dokumente kontrolliert würden, die sie vom Militärdienst freistellen.

(Stand: 29.1.2024)

Links

Beitrag auf Facebook (archiviert

X-Account der polnischen Grenzkontrolle (archiviert)

X-Account der polnischen Grenzkontrolle (archiviert)

Instagram Beitrag von «Radiotrek» (archiviert, archivierter Video-Download)

Ukrainische Polizei auf Telegram (archiviert)

Standort bei Google Street View (archiviert)

«Tagesschau» zu verschärfter Mobilisierung (archiviert)

«Stern» zu Mobilmachung (archiviert)

Ukrainische «Prawda» über Grenzeinsätze (archiviert)

Ukrainische «Prawda» über Grenzeinsätze (archiviert)

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