Cartier-Gerücht
Olena Selenska war am 22. September nicht in New York
26.10.2023, 12:21 (CEST), letztes Update: 26.10.2023, 14:47 (CEST)
Desinformation im Ukraine-Krieg ist allgegenwärtig. Doch nicht nur bezogen auf den Konflikt selbst werden Falschbehauptungen verbreitet, auch das Privatleben wichtiger Akteure steht immer wieder im Fokus. So soll etwa Olena Selenska, die Frau des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, kürzlich in New York Schmuck im Wert von über einer Million US-Dollar eingekauft haben. Das belege eine Rechnung, die derzeit durch soziale Medien geistert.
Bewertung
Selenska war zum auf der Rechnung ausgewiesenen Datum nicht in New York. Die Kanäle, über die die angebliche Rechnung verbreitet wurde sowie die Aussage der angeblichen Praktikantin, die die Quittung nach ihrer Kündigung mitgenommen haben soll, scheinen nur dafür eingerichtet worden zu sein. Es gibt keine weiteren Hinweise auf einen Einkauf Selenskas bei Cartier in New York oder für das Praktikum der Frau aus dem Video.
Fakten
Grundsätzlich sieht die vermeintliche Rechnung der ukrainische Präsidentengattin vergleichbaren Quittungen von Einkäufen bei Cartier in New York ähnlich. Auch die Preise und Referenznummern der Schmuckstücke stimmen mit jenen auf der Website überein.
Allerdings waren die Selenskyjs am Tag der Rechnungslegung nicht mehr in New York. Ihr Reiseplan führte sie am 18. September zu den Vereinten Nationen nach New York, von wo es am 21. September weiter nach Washington D.C. ging. Nach einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden und dessen Frau Jill flogen die Gäste am selben Abend weiter in die kanadische Hauptstadt Ottawa. Auch an diesem Tag war Selenska an der Seite ihres Mannes, wie mehrere Fotos belegen.
Etwa eine Woche später tauchte ein YouTube-Video auf einem Kanal auf, über den keine weiteren Videos veröffentlicht worden waren. Darin zu sehen waren zusammengefügte Instagram-Stories einer Frau, die behauptet, ein Praktikum bei Cartier in New York bekommen zu haben, das sie wegen eines Vorfalls mit Olena Selenska wieder verlor. Sie habe daraufhin eine Kopie der Rechnung als Beleg mitgenommen.
Die Frau sei erst zwei Jahre zuvor aus dem Benin in die USA gezogen. Ihr im Video auf YouTube ersichtliches Instagram-Konto weist mittlerweile keine Beiträge mehr aus. Zudem existiert er erst seit August 2023. Einige Medienberichte verwenden auch ein Foto der Rechnung, das nicht aus der abgefilmten Instagram-Story stammt, da darauf keine weiß lackierten Fingernägel zu sehen sind. Unklar ist die Herkunft dieses Bildes.
Gesichtserkennungstools liefern Ergebnisse aus sozialen Medien, die auf eine Frau namens Gabriel(le) Bonbon hinweisen. Sie weist in ihren Gesichtsmerkmalen große Ähnlichkeit mit der Frau aus dem Video auf, auch ein Nasenpiercing ist vorhanden. Laut ihrem Account bei VK lebt die Frau in St. Petersburg.
Als Verkäuferin auf der Rechnung ist eine Frau namens Lisa Yang angegeben, bei der es sich nicht um die Frau aus dem Video handelt. Eine Anfrage von dpa-Faktencheck bei der Verkäuferin blieb bisher unbeantwortet. Auch gibt es keinerlei Medienberichte oder Paparazzi-Fotos zu einem angeblichen Einkauf Selenskas bei Cartier.
(Stand: 25.10.2023)
Links
Cartier-Quittung aus 2019 (archiviert)
Cartier-Quittung aus 2021 (archiviert)
Tweet von Selenskyi zur Ankunft in den USA (archiviert)
Foto vom Treffen mit den Bidens (archiviert)
Foto von der Ankunft in Kanada (archiviert)
Fotos aus dem kanadischen Parlament (archiviert)
YouTube-Video vom 1. Oktober (archiviert) (Video archiviert)
Informationen zum Konto (nur archiviert)
Medienbericht mit anderem Foto der Rechnung (archiviert)
Gabrielle Bonbon bei Instagram (archiviert)
Foto von Gabriel Bonbon bei VK (nur archiviert)
Über dpa-Faktenchecks
Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.
Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.
Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an factcheck-oesterreich@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.
Schon gewusst?
Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.