Keine Verbote
Bericht empfiehlt Wege zur CO2-Reduktion in Städten
19.10.2023, 15:56 (CEST)
Von vielen Seiten werden größere Anstrengungen gegen das Fortschreiten der Klimakrise gefordert. Aber gehen diese so weit, dass Menschen der Konsum von Fleisch und Milchprodukten sowie das Fahren mit privaten Autos verboten werden soll? Das wird in einem oft geteilten Facebook-Reel behauptet. Demnach hätten 100 Städte einen Zusammenschluss namens «C40 Cities Climate Leadership Group» (C40) gebildet, um die oben genannten Verbote durchzusetzen.
Bewertung
Es gibt derzeit keine Pläne, durch derartige Verbote das Konsumverhalten einzuschränken. Die Behauptung geht auf eine Fehlinterpretation eines Blog-Artikels zurück.
Fakten
In dem Video ist der deutsche Youtuber und Finanzcoach Philip Hopf zu sehen. Er liest aus einem Blog-Artikel des österreichischen Online-Portals «tkp» vor, das schon in der Vergangenheit mehrmals falsche und irreführende Informationen verbreitet hat (hier, hier, hier).
In dem Blog-Artikel steht, die «C40 Cities Climate Leadership Group» (C40) hätte sich ein «ehrgeiziges Ziel» gesetzt, um «die Ziele des WEF bis zum Jahr 2030 zu erreichen». Dabei wird auf den Bericht «The Future of Urban Consumption in a 1.5°C World» verwiesen.
So hätten sich die C40-Städte dazu verpflichtet, dass sich ihre Einwohner verbindlich daran halten würden, unter anderem keine Fleisch- oder Milchprodukte mehr zu konsumieren, nur drei Kleidungsstücke pro Jahr zu tragen und keine privaten Fahrzeuge mehr zu benutzen. Im Video heißt es zudem, dass es in Städten «absolut 0 Prozent Emissionen» geben dürfe.
Der Bericht enthält jedoch weder Verbote noch Vorschriften, sondern lediglich Vorschläge zur Reduktion von Treibhausgasemissionen in Städten. Dafür wurden eine «fortschrittliche» sowie eine «ehrgeizige» Zielsetzung formuliert, heißt es. Es werden verschiedene Szenarien vorgestellt. Die Bereiche umfassen sehr wohl Kleidung, Ernährung, Flüge und den Besitz von Fahrzeugen, aber auch Infrastruktur und Elektronik (Seite 20).
Beim Thema Ernährung empfiehlt das ehrgeizige Szenario tatsächlich, den Verzehr von Fleisch und Milchprodukten auf null zu senken, wobei - anders als im Blog-Artikel suggeriert - die Kalorienzufuhr dieselbe bliebe (Seite 78). Doch auch schon das im Bericht thematisierte «progressive Ziel» würde die ernährungsbedingten Emissionen um über 50 Prozent senken. Das gelänge bereits, wenn sich der Fleischkonsum in den Städten von bisher 58 auf 16 Kilogramm und der von Milchprodukten von 155 auf 90 Kilogramm pro Person und Jahr reduzieren ließe.
Auch beim Thema Bekleidung wird eine grundsätzliche Einschränkung empfohlen (Seite 82). Wenn Konsumentinnen und Konsumenten nur noch acht neue Kleidungsstücke im Jahr kauften, könnten die daraus resultierenden Emissionen ebenfalls um beinahe 50 Prozent verringert werden.
Auch der Privatverkehr spielt eine Rolle (Seite 86): Befänden sich statt der derzeit durchschnittlich 240 Fahrzeuge pro 1 000 Einwohner nur noch 190 Fahrzeuge auf den Straßen, wäre eine Verringerung der Emissionen um 23 Prozent möglich, so die Berechnung in dem Bericht. Gäbe es gar keine privaten Fahrzeuge mehr, wären es 55 Prozent weniger Emissionen aus diesem Sektor.
Eine generelle Einführung dieser ehrgeizigen Ziele wird in dem Bericht ausdrücklich nicht befürwortet. Diese dienten lediglich als Referenzpunkte für mögliche langfristige Konzepte, heißt es auf Seite 86. Auch ein Sprecher der Organisation betonte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa), dass «C40» den Mitgliedsstädten keine konkrete Politik vorschreibe.
Cities Race to Zero
In dem Blogbeitrag werden zahlreiche Städte aus aller Welt aufgelistet, die angeblich Teil der Städtekooperation sein sollen. Aus Österreich wird Wien genannt, aus Deutschland seien unter anderem Berlin, Hamburg und München dabei. Nur ist diese Liste eine völlig andere, nämlich die des Programms «Cities Race to Zero».
Diese Kampagne hat ebenfalls zum Ziel, das Pariser Klimaabkommen einzuhalten. Der Sprecher von «C40» erklärte, die Kooperation sei zwar Partner des Programms, aber die Mitglieder seien nicht kongruent. Bei dem «C40»-Projekt nehmen keine österreichischen Städte teil und aus Deutschland nur Berlin und Heidelberg.
Was steckt hinter den Erzählungen vom «Great Reset»?
In dem Blog-Beitrag wird auch der Begriff «The Great Reset» des Weltwirtschaftsforums (WEF) erwähnt. Dieser habe weniger mit der Corona-Pandemie oder der Klimakrise als mit «sozialer Kontrolle» zu tun, heißt es.
Das WEF hatte im Juni 2020 die wirtschaftspolitische Idee eines «großen Neustarts» propagiert. Dieser «Reset» sollte als Antwort auf die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise dienen.
Kurz darauf entstand ein weit verbreiteter Verschwörungsmythos. Demnach planen meist nicht näher definierte «Eliten» den Umbau der Gesellschaft zu einer «Neuen Weltordnung».
Das WEF ist eine Stiftung, die von Klaus Schwab gegründet wurde und Politiker, Wirtschaftsvertreter und weitere gesellschaftliche Akteure vernetzen will. Bekannt ist sie vor allem durch ihre jährliche Konferenz im schweizerischen Davos.
(Stand: 19.10.2023)
Links
Youtube-Kanal u.a. von Philip Hopf (archiviert)
Webseite von HKCM (archiviert)
dpa-Faktencheck zu Sonnenstrahlung in Bezug auf Klimakrise
dpa-Faktekcheck zu Justin Biebers Gesichtslähmung
dpa-Faktencheck zu Covid-Todesfällen in Portugal
«The Future of Urban Consumption in a 1,5°C World» (archiviert)
Mitgliedsstädte von «C40» (archiviert)
Über «Cities Race to Zero» (archiviert)
Über dpa-Faktenchecks
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