Statistik eindeutig
Artikel echt - aber kein Argument gegen Klimawandel
14.9.2023, 10:42 (CEST)
Der Sommer 2023 hat Hitzerekorde gebrochen. Auf Social Media verweisen User auf einen alten Zeitungsbericht über Hitzephasen im 20. Jahrhundert. Das vermeintliche Argument: Früher sei es auch schon sehr heiß gewesen, die Temperaturen in diesem Jahr seien daher nichts Außergewöhnliches. «Sollte man wirklich komplett lesen, um endlich zu begreifen welche Lügen wir tagtäglich aufgetischt bekommen», kommentiert ein User den Artikel.
Bewertung
Durch die Klimakrise nimmt die Häufigkeit heißer Sommer ebenso zu wie die mittleren Temperaturen. Das zeigen die Statistiken eindeutig.
Fakten
Der Zeitungsbericht ist echt: er stammt aus der deutschen Lokalzeitung «Acher- und Bühler Bote». Das Stadtgeschichtliche Institut von Bühl teilte der Deutschen Presse-Agentur (dpa) auf Anfrage mit, dass der Artikel am 2. August 1995 in der Ausgabe Nr. 176 veröffentlicht wurde. Autor ist der inzwischen verstorbene Heimatforscher Adolf Hirth.
Auch die Tageszeitung «Badische Neueste Nachrichten» bestätigte der dpa, dass der Artikel in ihrer südlichsten Bezirksausgabe «Acher- und Bühler Bote» erschienen ist. Der dpa liegt ein Scan der Zeitungsseite vor.
Zum Inhalt: Der Artikel führt rund 20 sehr heiße Sommer in Deutschland zwischen den Jahren 1911 und 1976 an. Vergleicht man die Jahre mit Daten des Deutschen Wetterdienstes zu vergangenen Temperaturanomalien im Sommer, zeigt sich, dass nicht alle genannten Sommer in Deutschland insgesamt überdurchschnittlich heiß waren.
Die genannten Sommer in Deutschland in den Jahren 1911, 1947, 1950, 1959 und 1976 hatten tatsächlich sogenannte positive Temperaturanomalien, waren also überdurchschnittlich heiß. Die angeführten Jahre 1915, 1942, 1949 oder etwa 1961 waren allerdings kaum erhöht oder hatten sogar negative Anomalien, waren also kühler als der Schnitt. Der Sommer 1917 wiederum hatte eine hohe positive Temperaturanomalie und wird im Artikel nicht angeführt. Allerdings liegt der Fokus des Autors auf seiner südwestdeutschen Heimatregion.
Unabhängig davon gilt: Es ist kein Argument gegen die Existenz der Klimaerwärmung, dass es auch im 20. Jahrhundert schon heiße Temperaturen und als «Jahrhundertsommer» bezeichnete Sommermonate gab.
Blickt man auf die jüngere Vergangenheit, so sieht man, dass nach Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) fast alle Sommer seit den 2000er-Jahren eine deutliche positive Anomalie aufweisen. Mit Stand 2020 berichtete der Deutsche Wetterdienst, dass sowohl in Deutschland (Messreihe seit 1881) als auch in Österreich (Messreihe seit 1767) die drei heißesten Sommer der Messgeschichte in den 2000er-Jahren waren. Mit Stand 2023 lagen 11 der 15 heißesten Sommer in Österreich im 21. Jahrhundert.
Hitze als Folge von menschengemachtem Klimawandel
In Österreich habe die Temperatur im Sommer 2023 um 2,8 bis 2,9 Grad über dem Mittel der Klimaperiode 1961-1990 gelegen, schreibt die GeoSphere Austria auf ihrer Webseite.
Aus Grafiken der Zusammenfassung des sechsten Sachstandsberichts der Arbeitsgruppe I des Weltklimarats IPCC aus dem Jahr 2021 geht zudem hervor, dass sich die Klimaveränderungen der vergangenen Jahrzehnte nur dann erklären lassen, wenn man zusätzlich zu den natürlichen auch die menschlichen Faktoren hinzurechnet. Betrachtete man nur die natürlichen Faktoren – wie beispielsweise die Sonne oder Vulkane - hätte sich die Temperatur in den letzten 170 Jahren kaum erhöhen dürfen bzw. teilweise sogar verringern müssen.
Durch die Klimakrise werden auch die Hitzetage mehr. Laut GeoSphere lag in Österreich im Sommer 2023 die Zahl der Hitzetage deutlich über dem Durchschnitt der letzten Jahrzehnte.
(Stand: 14.9.2023)
Links
Über das Stadtgeschichtliche Institut Bühl
Temperaturanomalie in Deutschland im Sommer (Referenz 1961-1990)(archiviert)
Bericht des Deutschen Wetterdienstes über heißeste Sommer in Deutschland und Österreich (2020) (archiviert)
Heißeste Sommer in Deutschland (Stand 2023) (archiviert)
Heißeste Sommer in Österreich (Stand 2023) (archiviert)
Climate.gov über CO2-Anstieg in Atmosphäre (archiviert)
Zusammenfassung des sechsten IPCC-Sachstandsberichts der Arbeitsgruppe I (2021) (archiviert)
GeoSphere Austria über Hitzetage im Sommer 2023 (archiviert)
Facebook-Posting archiviert
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