Klimakrise ist menschengemacht

Fehlerhafte Studie über Sonnenstrahlung bereits 2020 zurückgezogen

17.08.2023, 15:04 (CEST)

Manchmal interpretieren Klimaskeptiker Studien falsch, um sie für ihre Zwecke umzudeuten. Diesmal ist aber sogar die Studie nicht belastbar.

Die wissenschaftlichen Daten zum Klimawandel sind eindeutig. Das hindert Klimaskeptiker allerdings nicht daran, die menschliche Verantwortung an der Klimakrise weiterhin in Zweifel zu ziehen. So heißt es aktuell in Sozialen Medien, der Klimawandel werde durch die Sonne verursacht und finde «seit Millionen von Jahren natürlich statt». Mit Verweis auf eine Studie, die den Mensch als Auslöser der Klimakrise infrage stellt, versuchen User diese Behauptung zu untermauern.

Bewertung

Menschliche Aktivitäten sind hauptverantwortlich für die globale Erderwärmung. Natürliche Faktoren wie die Sonne haben praktisch keinen Einfluss. Die genannte Studie wurde aufgrund von inhaltlichen Fehlern kritisiert und zurückgezogen.

Fakten

Das Facebook-Posting bezieht sich auf einen Online-Blog, welcher bereits mehrfach falsche und irreführende Informationen verbreitet hat. Das zeigen Faktenchecks von APA und dpa (hier, hier, hier).

Eine im Artikel verlinkte Studie soll die falschen Online-Behauptungen stützen. Die Hauptautorin ist Valentina Zharkova von der Northumbria Universität. Das Paper wurde bereits im Juni 2019 auf dem Open Access Journal «Scientific Reports» veröffentlicht, im März 2020 aber von den Herausgebern des Journals aufgrund von inhaltlichen Fehlern zurückgezogen.

Die Studie behauptet, dass die Bewegung der Sonne eng in Zusammenhang stehe mit einer gesteigerten solaren Strahlungsintensität und dem Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur in den letzten zwei Jahrhunderten. Die Distanz zwischen Erde und Sonne habe sich in einem Maß verändert, das zu einer Erwärmung der Erde geführt habe. Dieser Trend könne zu einem weiteren «natürlichen» Anstieg der Temperatur um mehr als 2,5 Grad Celsius bis zum Jahr 2600 führen, heißt es.

Die Herausgeber von «Scientific Reports», welche das Paper zurückgezogen hatten, begründeten ihren Schritt mit nach der Veröffentlichung aufgetauchten inhaltlichen Bedenken. Ein paar der Annahmen, auf denen die Schlussfolgerungen der Studie basierten, seien unrichtig: «Aktuelle Ephemeridenberechnungen zeigen, dass der Abstand zwischen Erde und Sonne in einer Zeitspanne von ein paar Jahrhunderten um wesentlich weniger als das in dem Artikel angegebene Maß variiert. Infolgedessen haben die Herausgeber kein Vertrauen mehr in die vorgelegten Schlussfolgerungen», hieß es in ihrer «Retraction Note».

Das Wissenschaftsmagazin «Phys.org» schrieb kurz nachdem das Paper zurückgezogen worden war, dass laut früheren Forschungen die Sonne tatsächlich über längere Zeiträume gesehen von ihrem Kurs abweichen könne. «Praktisch alle Arbeiten zu dessen Auswirkungen» hätten aber gezeigt, dass die Erde sich gleichermaßen mitbewege – es also zu keiner derartig veränderten Distanz zwischen Sonne und Erde käme. An dem Papier wurde demnach kritisiert, dass Zharkova und die anderen Autoren keine Beweise für ihre Behauptungen vorgelegt hätten, stattdessen würden deren Ergebnisse auf Annahmen basieren.

Auch das Online-Portal «Retraction Watch», die britische Online-Zeitung «The Independent» und die Fachzeitschrift «New Scientist» berichteten über die kritisierte Studie. Letztere zitierte mehrere Wissenschaftler, darunter Gavin Schmidt vom NASA Goddard Institute for Space Studies an der Columbia Universität in New York City und Ken Rice, Professor am Institut für Physik und Astronomie der Universität Edinburgh, welche «grundlegende Fehler» in dem Papier orteten. Demnach forderten beide das Journal auf, den Artikel zurückzuziehen. Rice bezeichnete dessen Veröffentlichung als «peinlich».

Die Hauptautorin Zharkova reagierte in den Kommentaren unter dem Paper auf der Webseite des «Scientific Reports» auf die Vorwürfe. Sie zeigte sich wenig einsichtig ob der inhaltlichen Kritik und warf dem Journal unter anderem vor, die Studie «ohne jegliche Grundlage» zurückgezogen zu haben.

Zharkova ist mit Interviews und Präsentationen stark vertreten auf der Plattform «Net Zero Watch» (NZW), die in Verbindung steht mit dem Thinktank «Global Warming Policy Foundation». Über die Positionen der Foundation gibt es mehrere kritische Berichte (hier, hier, hier, hier, hier).

CO2-Gehalt in der Atmosphäre

Dem «State of the Global Climate»-Report der World Meteorological Organization (2021) zufolge ist der Anteil von CO2 bis zum Jahr 2020 auf etwa 413 parts per million (ppm) und bis 2022 auf 417 ppm gestiegen. Ein ⁠ppm⁠ entspricht einem Molekül Kohlendioxid pro einer Million Moleküle trockener Luft. Zu Beginn der Industriellen Revolution lag der CO2-Anteil bei etwa 280 ppm.

Grafiken zeigen, dass die Emissionen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch langsam stiegen, während sie dann etwa ab dem Jahr 1950 in die Höhe schossen. Demnach stieg der CO2-Anteil in der Atmosphäre in den letzten 60 Jahren 100 Mal schneller als beispielsweise am Ende der letzten Eiszeit vor 11 000 bis 17 000 Jahren.

Erwärmung des Erdklimas

Die vom Menschen verursachte Zunahme der atmosphärischen Konzentration von Treibhausgasen nennt man auch anthropogenen Treibhauseffekt. Wie das deutsche Umweltbundesamt ausführt, ist der Treibhauseffekt maßgeblich für die Erwärmung des Erdklimas verantwortlich.

Laut dem Sonderbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) aus dem Jahr 2018 wird geschätzt, dass menschliche Aktivitäten eine globale Erwärmung von etwa einem Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau verursacht haben. Wenn sich die Erwärmung weiterhin in der jetzigen Geschwindigkeit erhöht, könnte die Erwärmung zwischen den Jahren 2030 und 2052 1,5 Grad Celsius erreichen, heißt es.

Ein oft zitiertes Paper aus dem Jahr 2017 prognostiziert sogar, dass sich die globale Durchschnittstemperatur bis zum Jahr 2100 wahrscheinlich um zwei bis 4,9 Grad (mit einem Median von 3,2 Grad) erhöhen könnte und dass eine Erhöhung um nur zwei Grad unwahrscheinlich sei.

Die menschliche Verantwortung an der Klimakrise

Die Klimakrise kann nicht durch natürliche Mechanismen erklärt werden. «Es sind unbestreitbar menschliche Einflüsse, die momentan die Erde aufheizen», schreibt die Informationsplattform Klimafakten. In einem weiteren Artikel wird erklärt, dass natürliche das Klima beeinflussende Faktoren über viel längere Zeiträume wirken, etwa innerhalb von Millionen von Jahren.

Zum Vergleich: Der CO2-Anteil in der Atmosphäre schoss wie oben dargelegt innerhalb von nur etwa 70 Jahren massiv in die Höhe. Externe Faktoren wie die «Strahlungsintensität der Sonne, kosmische Strahlung, vulkanische Aktivitäten» haben sich demnach in den letzten Jahrzehnten nicht signifikant verändert.

In einer Zusammenfassung des sechsten IPCC-Sachstandsberichts aus dem Jahr 2021 werden in Grafiken (S. 5) die Klimaveränderungen der vergangenen Jahrzehnte anhand der globalen Oberflächentemperatur simuliert. Dabei zeigt sich, dass sich die aktuell beobachtete Erwärmung nur dann abbilden lässt, wenn man zusätzlich zu den natürlichen auch die menschlichen Faktoren hinzurechnet. Würde man nur die natürlichen Faktoren hernehmen, hätte sich die Temperatur in den letzten 170 Jahren kaum erhöhen dürfen bzw. teilweise sogar verringern müssen.

Die Rolle der Sonne

Die Plattform Klimafakten schreibt in einem weiteren Beitrag, dass die Sonnenaktivität seit 1960 - im Gegensatz zur Entwicklung der globalen Temperatur - einen «leicht abkühlenden Trend» gezeigt habe. Verwiesen wird auf eine Studie, die bereits im Jahr 2005 veröffentlicht wurde. Darin heißt es: «Während den letzten 30 Jahren zeigten die Strahlungsintensität der Sonne, die solare UV-Strahlungsintensität und die kosmische Strahlung keinen signifikanten säkularen Trend, sodass zumindest diese jüngste Erwärmungsepisode einen anderen Ursprung haben muss.»

Dieser «andere Ursprung» liegt an menschlichen Aktivitäten, wie man heute gesichert weiß. In Kapitel 7.2.2.3 (S. 938) des IPCC-Berichts ist erstens ebenfalls die Rede von einer «Abnahme der Oberflächen-Sonnenstrahlung zwischen den 1950ern und den 1980ern». Zweitens zeigt eine Grafik in Kapitel 7.3.5.3 (S. 961), welche Faktoren am meisten zur Erderwärmung im Jahr 2019 im Verhältnis zu 1750 beigetragen haben: CO2 und andere mit dem Menschen in Zusammenhang stehende Gase. Natürliche Faktoren wie die Sonne oder Vulkane hatten praktisch keinen Einfluss.

(Stand: 17.8.2023)

Links

APA-Faktencheck zu Behauptungen von Online-Blog

APA-Faktencheck zu Behauptungen von Online-Blog

dpa-Faktencheck zu Behauptungen von Online-Blog

Studie im Open Access Journal «Scientific Reports» (archiviert)

«Retraction Note» der Herausgeber zur Studie (archiviert)

Beitrag von Wissenschaftsmagazin «Phys.org» (archiviert)

Beitrag im Online-Portal «Retraction Watch» (archiviert)

Beitrag im «The Independent» (archiviert)

Beitrag im Fachzeitschrift «New Scientiest» (archiviert)

Kommentare von Zharkova (archiviert)

«Net Zero Watch» (archiviert)

Interview mit Zharkova auf «Net Zero Watch» (archiviert)

Präsentation von Zharkova auf «Net Zero Watch» (archiviert)

Beiträge mit und über Zharkova auf «Net Zero Watch» (archiviert)

«The Global Warming Policy Foundation» (archiviert)

Beitrag in «The Guardian» über «The Global Warming Policy Foundation» (2022) (archiviert)

Beitrag in «The Guardian» über «The Global Warming Policy Foundation» (2009) (archiviert)

«DeSmog» über «Global Warming Foundation» (archiviert)

«DeSmog» über Rebrand von «The Global Warming Policy Foundation» (archiviert)

«Politico»-Artikel über Rebrand von «The Global Warming Policy Foundation» (archiviert)

Aktueller «State of the Global Climate»-Report (archiviert)

Climate.gov (archiviert)

Deutsches Umweltbundesamt zu Treibhauseffekt (archiviert)

Zusammenfassung des IPCC-Sonderberichts «Global Warming of 1.5°C»  (archiviert)

Artikel in «Nature Climate Change» (archiviert)

Klimafakten-Bericht über Ursache des Klimawandels (archiviert)

Klimafakten-Bericht über aktuelle Erderwärmung (archiviert)

Zusammenfassung des Sechsten IPCC-Sachstandsberichts (archiviert)

Klimafakten-Bericht über Rolle der Sonne bei Klimakrise (archiviert)

Studie zur Sonnenaktivität der letzten 150 Jahre (2005) (archiviert)

IPCC-Bericht (2021) (archiviert)

Facebook-Posting (archiviert)

Blog-Artikel von «tkp» (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

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