Letzte Generation

Keine feste Warte-Frist bis zum Loslösen der Klimaaktivisten

25.7.2023, 16:28 (CEST)

Erst eine Weile kleben lassen, dann mit Handcreme versorgen? Dass dieses Vorgehen der Polizei in Österreich im Umgang mit Klimaaktivisten vorgeschrieben sei, bestreitet das Innenministerium. Creme ist den Aktivisten zufolge aber öfter im Spiel.

Um die Klimaproteste der Gruppe Letzte Generation und den begleitenden Verkehrseinschränkungen gibt es immer wieder heftige Debatten - und nicht alles, was behauptet wird, basiert auf Fakten. In sozialen Netzwerken zirkuliert etwa die Behauptung, dass der österreichische Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) einen Erlass an die Polizei ausgegeben habe, wonach Beamte den Klimaaktivisten nach der Loslösung von der Straße Handcreme auszuhändigen hätten. Außerdem dürften die Demonstrierenden erst rund eine halbe Stunde nach der Aktion losgelöst werden.

Bewertung

Es gibt keine Vorschrift oder Dienstanweisung, die die Polizei verpflichtet, eine bestimmte Zeit bis zum Loslösen der Aktivisten abzuwarten und und ihnen dann eine Handcreme auszuhändigen.

Fakten

Das Innenministerium teilte auf Anfrage der dpa schriftlich mit: «Nein, es gibt keine 'Anweisung' oder Dienstordnung, die dies vorschreibt. Die Vorgänge sind dynamisch und müssen von Fall zu Fall unterschiedlich bewertet werden.» Es gebe keine allgemeine Zeitspanne bis zur Entfernung der Aktivisten, da verschiedene Faktoren eine Rolle spielten.

Das Innenministerium gab an, dass den Betroffenen medizinische Hilfe angeboten werde, ging jedoch nicht näher auf die Ausgabe von Handcreme ein. Die Wiener Polizei scheint zumindest im Mai dieses Jahres einem Medienbericht zufolge noch nicht standardmäßig Handcreme dabei gehabt zu haben.

Die Gruppe Letzte Generation bestätigte auf Nachfrage von dpa, dass die Polizei nach deren Eintreffen in der Regel rasch vorgehe. Nachdem die Einsatzleitung geprüft habe, ob die Versammlung laut Gesetz aufzulösen sei, werde die Auflösung in der Regel innerhalb von fünf bis zehn Minuten nach dem Eintreffen ausgesprochen. «Die Protestierenden werden darauf hingewiesen, dass sie den Versammlungsort binnen gesetzter Frist (meist 3 Minuten) zu verlassen haben und andernfalls unter Anwendung von Zwangsgewalt entfernt werden», schrieb ein Sprecher per Mail.

Handcreme werde demnach häufig angeboten. Um den Klebstoff zu entfernen, verwende die Polizei nämlich einen acetonhaltigen Nagellackentferner, der die Haut reizen könne. Eine Mullbinde werde unter der Hand mit einer sägenden Bewegung durchgezogen, erklärt die Gruppe. Von ähnlichen Praktiken berichten Medien auch in Deutschland.

Die Behauptung über einen angeblichen Erlass an die Polizei dürfte ursprünglich von Christoph Steiner stammen, einem FPÖ-Politiker im Bundesrat. Dieser äußerte sich dementsprechend in einer Rede, die er auch selbst mit der Behauptung zum angeblich verpflichtenden Reichen der Handcreme auf Facebook veröffentlichte.

In einer Rede vor dem Bundesrat am 12.07.2023 behauptete Steiner, dass von Innenminister Karner eine Verordnung für die Polizei erlassen worden sei, in der «klar» stehe, dass die Aktivisten «30 bis 40 Minuten lang» kleben bleiben müssten, bevor sie zu entfernen seien. Wenige Sätze später spricht Steiner von «20 bis 30 Minuten», nach denen sie entfernt würden. «Und danach ist von der Polizei eine Handcreme zu reichen.»

Christoph Steiner wollte auf Nachfrage von dpa nicht angeben, woher er die Information über eine angebliche Anweisung an die Polizei habe. Er teilte mit, er habe den Erlass von verschiedenen Quellen erhalten, die er nicht nennen wolle.

(Stand 25.7.2023)

Links

YouTube-Video Steiner (archiviert)   

Facebook-Posting Steiner (archiviert

Transkript der Rede (archiviert

RBB-Beitrag (archiviert

«Heute»-Beitrag (archiviert)  

Facebook-Post archiviert

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