Irreführender Zeitungstitel
Klimawandel war 1975 schon bekannt - 40 Grad wurden aber damals nicht erreicht
19.7.2023, 17:45 (CEST)
Nachdem die Coronakrise immer mehr aus dem medialen Scheinwerferlicht verschwindet, erhitzt nun die Klimakrise die Gemüter. Während die globale Gemeinschaft Lösungen überlegt, zweifeln einzelne noch immer die Krise an. Ein Beleg dafür soll eine Schlagzeile der «Bild»-Zeitung von 1975 liefern: «40 Grad Hitze: Jetzt wird das Wetter lebensgefährlich!». Im gleichen Posting wird behauptet, dass der Klimawandel damals «noch nicht erfunden» wurde. Gab es 1975 schon Anzeichen vom Klimawandel? Und wie heiß war es wirklich im August 1975?
Bewertung
Während die «Bild»-Titelseite echt ist, ist die Schlagzeile irreführend, da es im Text lediglich um eine Prognose handelt - die allerdings im Sommer 1975 nicht eintrat. Dass der Klimawandel in den 1970er Jahren noch nicht bekannt war, stimmt auch nicht. Er war wissenschaftlich bereits belegt und auch öffentlich wurde davon gesprochen.
Fakten
«40 Grad Hitze - Jetzt wird das Wetter lebensgefährlich» heißt es auf dem Titelblatt der «Bild»-Zeitung am 8. August 1975. Allerdings wurde im Sommer 1975 an keiner Stelle in Deutschland 40 Grad Celsius gemessen. Im Artikel zur Schlagzeile wird nur vor hohen Temperaturen gewarnt. Dass diese nicht eingetreten sind, belegen Zahlen vom Deutschen Wetterdienst (DWD).
In einem DWD-Dokument wird allerdings berichtet, dass der August 1975 überdurchschnittlich warm war. Es war der heißeste August seit 1851 - zumindest im norddeutschen Tiefland.
Die höchste je in Deutschland gemessene Temperatur lag bei 41,2 Grad, gemessen in Duisburg und Tönisvorst bei Krefeld am 25. Juli 2019. Im Jahr 2023 wurden Mitte Juli 38,8 Grad Celsius im bayerischen Möhrendorf-Kleinseebach im Landkreis Erlangen-Höchstadt gemessen.
Soweit ist mal die Hitzewelle von 1975 geklärt. Die «Bild»-Schlagzeile belegt nicht, dass der Klimawandel nicht existiert. Aber wie lange ist der Klimawandel schon wissenschaftlich bekannt?
Klimawandel in der Wissenschaft
Der Treibhausgaseffekt, der zentrale Treiber der Klimaerwärmung, wurde tatsächlich schon vor rund 200 Jahren entdeckt. 1824 berechnete der französische Physiker Joseph Fourier, dass ein Planet mit der Größe der Erde im gleichen Abstand zur Sonne viel kühler sein sollte. Er vermutete, dass etwas in der Erdatmosphäre wie eine Isolierdecke funktionierte.
Im Jahr 1856 entdeckte die amerikanische Wissenschaftlerin Eunice Foote diese «Decke» und konnte nachweisen, dass CO2 und Wasserdampf in der Erdatmosphäre die infrarote Strahlung absorbierten, was einen wärmenden Effekt zur Folge hatte.
In den 1860er erkannte der irische Physiker John Tyndall den Treibhausgaseffekt und stellte die Hypothese auf, dass kleine Änderungen der atmosphärischen Zusammensetzung Klimavariationen hervorbringen könnten. Das war auch übrigens die Zeit, als in Großbritannien das Industriezeitalter anbrach, das maßgeblich und nachhaltig die Erderwärmung beschleunigte.
1896 hieß es in einem Paper des schwedischen Wissenschaftlers Svante Arrhenius erstmals, dass Änderungen des CO2-Anteils in der Atmosphäre drastische Änderungen der Bodentemperaturen mit sich bringen könnten - durch den Treibhausgaseffekt.
In den 1930er Jahren stellte der britische Ingenieur Guy Stewart Callendar fest, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre angestiegen war und dass sich die Erde jährlich um 0,005 Grad Celsius erwärmt. Callendar wertete diese Änderung als positiv.
Erst in den 1940er Jahren kamen die Warnungen. Ein Vorreiter war der deutsche Meteorologe Hermann Flohn, der die Wirkung von Städten, Stauseen und andere von Menschenhand erschaffene Änderungen auf lokale Mikroklimata erforschte. Er wies auf die Komplexität der Zusammenhänge hin und warnte, dass man die zukünftigen Entwicklungen nicht erahnen könne.
Klimaerwärmung war in den 1970er Jahren Thema
In den 1970er Jahren wurde die Gefahr schon wesentlich deutlicher angesprochen, mit mehrfacher Kritik von Wissenschaftlern über die zunehmende Menge an CO2 in der Atmosphäre und den Mangel an politischem Willen, etwas dagegen zu unternehmen.
Düsterer wird die ganze Geschichte des Klimawandels, wenn man Fälle wie den von Exxon betrachtet. Laut Studien, die in den 2010er veröffentlicht wurden, wusste der Öl- und Gasriese nachweislich seit den 1970er Jahren über den menschengemachten Klimawandel Bescheid und gab Millionen dafür aus, die Öffentlichkeit in die Irre zu führen und die sich anbahnende Katastrophe zu verharmlosen. Laut «Guardian» ist es sogar möglich, dass andere Ölkonzerne schon in den 1950ern von dem Risiko wussten.
(Stand: 19.7.2023)
Links
Wetter am 8. August 1975(archiviert)
Süddeutsche Zeitung: Wetterrekord (archiviert)
BBC: History of Climate Change (archiviert)
ARD Alpha: CO2 Emissionen (archiviert)
ARD Alpha: Geschichte der Klimaforschung (archiviert)
American Institute of Physics (archiviert)
AIP: Climate Change in the 70s (archiviert)
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