Falsche Interpretation

Polizeigewerkschaften forderten Kampf gegen Demonstrierende

18.07.2023, 18:29 (CEST)

In Frankreich standen Polizisten gegen Protestierende, die - manchmal gewalttätig - gegen Polizeigewalt demonstrierten. Klare Fronten - doch manche fantasierten noch ein paar Feindbilder hinzu.

Nachdem ein 17-Jähriger bei einer Polizeikontrolle im Juni 2023 erschossen worden war, gab es in Frankreich wieder heftige Proteste. In dem Zusammenhang wird aktuell in mehreren Sozialen Medien die Behauptung verbreitet, dass sich die französische Polizei gegen Präsident Emmanuel Macron sowie das Weltwirtschaftsforum (WEF) «erhebt» und sich mit Millionen Bürgerinnen und Bürgern solidarisieren wolle. Stimmt das?

Bewertung

Es handelt sich um Falschinformationen. Zwei Polizeigewerkschaften in Frankreich riefen in Presseaussendungen zu einem härteren Vorgehen gegen Protestierende auf. Vom Weltwirtschaftsforum (WEF) oder einer Solidarität mit Millionen von Franzosen ist nirgends die Rede.

Fakten

Die Behauptung wird im selben Wortlaut auf Facebook, Twitter, Telegram sowie in mehreren deutschsprachigen Blogs verbreitet. Teilweise ist der Text länger als in dem Facebook-Post und bezieht sich auf eine Presseaussendung von zwei großen französischen Polizeigewerkschaften als Ursprung der Behauptung.

In der Presseerklärung von 30. Juni 2023, die auf der Webseite der Gewerkschaft «Alliance Police Nationale» veröffentlicht wurde, geht es nicht darum, sich mit den Demonstrierenden gegen Macron sowie das WEF zu solidarisieren. Im Gegenteil: Die Polizeigewerkschaften forderten zu einem härteren Vorgehen gegen Demonstrierende auf.

So heißt es etwa am Anfang, dass es in Anbetracht dieser «wilden Horden» nicht ausreiche, zur Ruhe aufzurufen, sie müsse «durchgesetzt» werden. Und weiter: «Unsere Kollegen sowie die Mehrheit der Bürger haben es satt, das Diktat gewalttätiger Minderheiten weiter hinzunehmen». Zudem ist die Rede von einem «Kampf gegen „Schädlinge"» sowie einem «Krieg», in dem sich Polizeibeamte befänden.

Unterzeichnet ist die Presseaussendung von den Polizeigewerkschaften «Alliance Police Nationale» und «UNSA Police». Die beiden sind zu unterscheiden von der tatsächlichen französischen Polizei «Police Nationale». Nach Angaben der französischen Nachrichtenagentur AFP vertreten die beiden Gewerkschaften etwa die Hälfte aller Polizeibeamten in Frankreich.

Gegen Ende der Mitteilung «warnen» die Gewerkschaften die Regierung sogar mehr oder weniger deutlich vor Aktionen. Ohne Maßnahmen zum juristischen Schutz der Polizisten und weitere Schritte werde die Polizei aktiv werden. Die Presseaussendung stieß aufgrund der populistischen Wortwahl teilweise auf scharfe Kritik.

Am selben Tag veröffentlichten die Gewerkschaften eine weitere Mitteilung, in der sie von einer «Verzerrung» ihrer vorherigen Aussagen durch Politiker sprachen, Verleumdungsvorwürfe erhoben und ihre extreme Wortwahl verteidigten. Es gehe um «gewerkschaftlichen Widerstand» gegen jene «Chaosstiftenden», heißt es erneut. Es ist weiterhin keine Rede von einer Solidarisierung mit Demonstrierenden, deren Proteste sich ja am Handeln eines Polizisten entzündet hatten.

In der Aussendung der beiden Gewerkschaften, die der Blogbeitrag aufgreift, wird weder Frankreichs Präsident Emmanuel Macron noch das Weltwirtschaftsforum (französisch: Forum économique mondial) genannt.

Ähnliche Falschbehauptungen kursierten bereits in der Vergangenheit in mehreren Ländern. Das zeigen beispielsweise dpa-Faktenchecks zu einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen in Wien und einem Protest gegen ein Sicherheitsgesetz in Paris.

(Stand: 18.07.2023)

Links

Facebook-Posting (archiviert)

Tweet (archiviert)

Telegram-Beitrag (archiviert)

Blog-Beitrag (archiviert)

Erste Presseaussendung der Polizeigewerkschaften am 30. Juni 2023 (archiviert)

Polizeigewerkschaft «Alliance Police Nationale»

Polizeigewerkschaft «UNSA Police»

Französische Polizei «Police Nationale»

Artikel von AFP zu Presseaussendung (archiviert)

Tweet von Chef der Partei La France zu Presseaussendung (archiviert)

Zweite Presseaussendung der Polizeigewerkschaften am 30. Juni 2023 (archiviert)

dpa-Faktencheck zu Corona-Protest in Wien

dpa-Faktencheck zu Protest gegen Sicherheitsgesetz in Paris

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