Text von 1996 missverstanden

Babler kritisierte das Kruzifix als Aufruf zur Gewalt

13.07.2023, 18:10 (CEST)

Kurz nach seiner Wahl zum SPÖ-Chef wird Andreas Babler vorgeworfen, er habe vor Jahren zur Gewalt aufgerufen. Doch ein Blick in den Originaltext reicht aus, um das zu widerlegen.

Als Politiker werden alle Worte auf die Waagschale gelegt - und nicht anders geht es dem neuen Chef der Sozialdemokraten (SPÖ), Andreas Babler. Mit einem turbulenten Aufstieg zum Bundesparteivorsitzenden und einer kuriosen Wahl ist der 50-Jährige Anfang Juni in den Mittelpunkt der österreichischen Medienlandschaft geraten - unter anderem wegen eines Textes, den er 1996 für die sozialistische Jugendzeitung «direkt» verfasst hat. In einem Artikel wird nun behauptet, dass Babler darin zur Kreuzverbrennung und zum Annageln von Menschen auf Kreuzen aufgerufen habe. Stimmt das?

Bewertung

Die Behauptungen sind teilweise falsch. In dem Text rief Babler nicht zur Gewalt auf, sondern warf dies dem Kruzifix vor. Im Text ist keine direkte Aufforderung zum Verbrennen von Kreuzen zu finden, eine doppeldeutige Aussage kann aber derart interpretiert werden.

Fakten

In der zweiten Ausgabe von «direkt» im Jahr 1996 hat Andreas Babler, damals der SJ-Landessekretär, einen Text unter dem Titel «Scharfer Krenn?» verfasst. Das niederösterreichische Printmedium ist laut Nationalbibliothekskatalog seit 1999 eingestellt, online ist der Text nicht zu finden.

Die zirkulierenden Behauptungen beruhen lediglich auf zwei Screenshots von kritischen Texten über Bablers Artikel, bei denen aber keine Jahreszahlen zu finden sind. Laut Quellenangaben stammen die Kritiken von der «NÖ Rundschau». In einem Fall heißt es fälschlicherweise «NÖ Nachrichten», die «NÖ (Niederösterreichische) Rundschau» ist jedoch erst im Jahr 2000 von den «NÖ Nachrichten» übernommen worden.

In der österreichischen Nationalbibliothek hat die Deutsche Presse-Agentur (dpa) sowohl den «direkt»-Artikel von Babler, als auch die Originale der Kritiken in der «NÖ Rundschau» und der «Badener Rundschau» - alle von 1996 - gefunden.

Der Text von Babler mit dem Titel «Scharfer Krenn?» dreht sich um die kirchliche Einstellung zu Kondomen und um den ehemaligen Bischof Kurt Krenn, der später infolge von Kinderpornografievorwürfen zurücktrat.

Falsch aus Babler-Text zitiert

Das angebliche Zitat über Aufruf zu Gewalt scheint jedoch auf einer falschen Überlieferung zu beruhen. Im Originaltext heißt es: «Sollen diese aus zwei in rechtem Winkel übereinandergelegten Linien oder Staberl oder sonst was nun in einem Klassenzimmer hängen oder nicht? Vielleicht noch mit einem bärtigen Männchen daran? Das ist öffentlicher Aufruf zur Gewalt, nämlich zum Annageln von Menschen auf Holz!»

Babler kritisiert also die Darstellung der Hinrichtung am Kreuz. Mit keinem Wort ruft er jedoch dazu auf. Weiters fügt er hinzu: «Auch sollte die Ausgrenzung von langhaarigen Männern, welche in diese Art von Darstellung hineininterpretierbar ist, zu denken geben.»

Von Seite Bablers wurde auf den satirischen Kontext hingewiesen. «Es handelt sich bei dem 1996 erschienenen Artikel um eine Satire bezugnehmend auf den - später auch in Missbrauchsvorwürfe verwickelten - damaligen Bischof Kurt Krenn,» sagte Raphaela Pammer, Pressesprecherin von Babler, in einer schriftlichen Stellungnahme.

Das zweite Zitat, das durch die Medien zog, ist nicht so eindeutig widerlegbar. Im Wortlaut: «(...) wenn’s euch stört, nehmt es ab! (Handschuhe verwenden - Ansteckungsgefahr. Nicht im Klassenzimmer verbrennen - Rauchentwicklung, schlechte Luft, eventuell giftige Gase!)» Möglicherweise geht es in dieser Passage tatsächlich um das Verbrennen eines Kruzifixes. Da sich der Abschnitt davor jedoch um Kondome dreht, könnte das Abnehmen und Verbrennen sich auch darauf beziehen.

(Stand: 13.7.2023)

Links

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Kathpress (archiviert)

Wiener Zeitung (archiviert)

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