Falsch zugeschrieben

Herrschaft-Zitat stammt von einem Neonazi, nicht von Voltaire

05.07.2023, 14:53 (CEST)

Berühmte Frauen und Männer klicken gut. So ist es nicht verwunderlich, dass im Netz häufig Zitate falsch zugeordnet werden.

Der französische Philosoph und Schriftsteller Voltaire war eine der wichtigsten Stimmen der Aufklärung. Bis heute wird er gern zitiert, und in vielen Fällen auch falsch. In den sozialen Medien geht ein Satz um, der von dem Philosophen stammen soll: «Um herauszufinden, wer über Sie herrscht, finden Sie einfach heraus, wen Sie nicht kritisieren dürfen.» Bleibt zu fragen: Hat das wirklich Voltaire gesagt?

Bewertung

Nein, der Satz stammt nicht von Voltaire, sondern von einem Neonazi aus den USA.

Fakten

Die Fehlzuschreibung ist nicht neu, seit Jahren hält sich das Meme in den sozialen Medien. Es wird aber Voltaire nur zugeschrieben. Richtiggestellt wurde es bereits 2017 vom Direktor der «Voltaire Foundation» an der britischen Oxford-Universität, Nicholas Cronk. «[Das Zitat, das] jetzt regelmäßig Voltaire zugeschrieben wird, scheint auf etwas zurückzugehen, das 1993 von Kevin Alfred Strom geschrieben wurde, einem amerikanischen Neonazi und Holocaust-Leugner», schreibt Cronk auf dem Blog der «Voltaire Foundation».

Der Satz lässt sich tatsächlich auf eine Aussage von Strom in abgewandelter Form zurückverfolgen. In einem Beitrag («All America Must Know the Terror That is Upon Us») auf seinem nationalistischen und anti-kommunistischen Rundfunksender «American Dissident Voices» schrieb Strom Folgendes: «To determine the true rulers of any society, all you must do is ask yourself this question: Who is it that I am not permitted to criticize?» Übersetzt heißt das so viel wie: «Um die wahren Herrscher jeder Gesellschaft zu bestimmen, musst du dir nur folgende Frage stellen: Wen darf ich nicht kritisieren?»

14 Jahre später hat Strom sogar selbst Stellung zu dem Zitat bezogen. In einem Artikel auf der rechtsradikalen Plattform «National Vanguard», die er selber mitbegründet hat, schrieb er, dass ein Zitat im Netz Voltaire zugeschrieben wird, aber von ihm stammt. Einige der zahlreich im Internet verbreiteten Paraphrasen seien immerhin «eleganter als mein Original».

Laut der amerikanischen Bürgerrechtsorganisation SPLC («Southern Poverty Law Center») ist Strom ein «dogmatischer Neonazi». Er war lange Zeit Mitglied bei der Neonazi-Gruppierung «National Alliance». Im Vergleich mit anderen Staatsführern des 20. Jahrhunderts sei Adolf Hitler ein «Gigant unter Pygmäen», sagte er unter anderem in einem Podcast. Er verfasste zudem antisemitische Artikel.

2007 wurde Strom wegen Besitz von Kinderpornografie angeklagt und im nächsten Jahr in einem Gericht in Charlottesville (US-Staat Virginia) zu 23 Monaten Haft verurteilt.

Im Mai 2023 wurde das falsche Zitat, das seit Jahren im Internet unterwegs ist, wieder viral, als Milliardär und Twitter-Besitzer Elon Musk eine Version des Zitats twitterte.

(Stand: 5.7.2023)

Links

Vita Voltaires (archiviert)

«Voltaire Foundation» über das vermeintliche Zitat (archiviert)

Strom-Beitrag von 1993 (archiviert)

Strom zum vermeintlichen Voltaire-Zitat (archiviert)

Bürgerrechts-Plattform «Southern Poverty Law Center» über Strom (archiviert)

Bürgerrechts-Plattform «Southern Poverty Law Center» über National Alliance(archiviert)

Podcast Stroms (archiviert)

Antisemitischer Artikel Stroms (archiviert)

Anklageschrift gegen Strom (archiviert)

Tweet von Elon Musk (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an factcheck-oesterreich@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.