Falsche Zahlen

Mindestpension liegt höher als Sozialleistungen für Afghanen

29.6.2023, 17:15 (CEST)

Pensionen und Leistungen für Geflüchtete werden immer wieder gegeneinander ausgespielt - im Netz wie am Stammtisch. Doch meist wird dabei mit Fantasiezahlen jongliert.

Im Zusammenhang mit Geflüchteten ist merkwürdigerweise oft Neid die Triebfeder für Falschbehauptungen. Ein aktuell häufig geteiltes Facebook-Posting ist ein Paradebeispiel dafür: Dem Sharepic im Beitrag zufolge werde ein «vorbestrafter Afghane» finanziell besser behandelt als ein Arbeiter nach 45 Dienstjahren.

Bewertung

Das Posting liegt in mehreren Punkten falsch: Weder liegen Pensionen im Zuständigkeitsbereich der Länder noch so niedrig wie behauptet. Auch für die Sozialleistungen, die das Sharepic einem Afghanen in Österreich zuspricht, gibt es keine Belege. Diese sind abhängig vom Aufenthaltsstatus eines Migranten.

Fakten

Die Rechnung aus dem Posting schreibt dem Zuwanderer monatliche Zuwendungen von «850 € + Sozialwohnung» zu. Um welche Leistungen es sich dabei genau handelt, wird nicht näher erwähnt. Daher ist auch ihre Zuständigkeit nicht leicht zu klären. Allerdings scheinen die 850 Euro aus der Luft gegriffen.

Leistungen für Asylwerber in Österreich

Afghanen, die als «Asylwerber, Asylberechtigte, Vertriebene und andere aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht abschiebbare Menschen» in Österreich leben, haben laut Grundversorgungsvereinbarung das Recht auf Grundversorgung. Diese umfasst laut Angaben der Caritas «im Wesentlichen Krankenversicherung, Versorgung mit Verpflegung, Taschengeld, Bekleidungsgeld und die Unterbringung in geeigneten Unterkünften».

Die genauen Kostenhöchstsätze sind in der Grundversorgungsvereinbarung festgeschrieben und liegen deutlich unter den erwähnten 850 Euro im Monat. Neben Aufwendungen für die Unterbringung und Verpflegung bleiben etwa 40 Euro Taschengeld im Monat. Asylwerbern steht zudem keine Sozialwohnung zu, da sie österreichischen Staatsbürgern nicht gleichgestellt sind.

Weitgehend gleichgestellt sind unterdessen anerkannte Flüchtlinge. Jedes Jahr wird mehreren Tausend afghanischen Flüchtlingen in Österreich Asyl gewährt. «Asylberechtigte haben ab dem Zeitpunkt, ab dem ihnen der Schutzstatus als Flüchtling zuerkannt wird, Anspruch auf die Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung», schreibt das Sozialministerium dazu.

Für Alleinstehende liegt dieser Betrag «im System der Sozialhilfe, das die bisherige Form der Mindestsicherung "ablöst"», in Wien derzeit bei 1053,64 Euro. Das aktuell gültige Grundsatzgesetz zur Sozialhilfe legt keine Mindeststandards für Leistungen aus der Sozialhilfe fest, sondern lediglich Höchstgrenzen. Diese dürfen die einzelnen Bundesländer nicht überschreiten.

In der vollen Höhe wird die Sozialhilfe laut Sozialministerium allerdings nur ausbezahlt, wenn keinerlei Eigenmittel vorhanden sind. Zudem setzt sie der Gewerkschaft GPA zufolge Arbeitswilligkeit voraus. Laut deren Faktencheck liegt der tatsächlich ausgezahlte Betrag im Schnitt deutlich unter dem Höchstbetrag.

Notstandshilfe beträgt in Österreich im Regelfall 92 Prozent des zuletzt bezogenen Arbeitslosengeldes und wird nur an Menschen in einer Notlage ausbezahlt, die zuvor bereits gearbeitet haben, arbeitswillig und arbeitsfähig sind. Keine der genannten Zuwendungen beläuft sich auf exakt 850 Euro im Monat.

Das österreichische Pensionssystem

Der niedrigste Betrag, der Pensionisten in Österreich 2023 ausbezahlt wird, liegt bei 1 110,26 Euro monatlich. Liegt das Gesamteinkommen unter diesem gesetzlichen Richtbetrag, erhalten die betroffenen Personen die Differenz darauf als Ausgleichszulage. Der Pensionsbetrag von derzeit mindestens 1 110,26 Euro wird 14-mal pro Jahr ausbezahlt.

Zuständig dafür sind die Versicherungsträger Pensionsversicherungsanstalt (PVA), Versicherungsanstalt für den öffentlichen Dienst, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) und Sozialversicherungsanstalt Gewerbliche Wirtschaft/Landwirtschaft (SVS). Das Pensionswesen wird auf Bundesebene geregelt, nämlich vom Sozialministerium. Landeshauptleute, zu denen auch der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig zählt, haben darauf keinen Einfluss.

(Stand: 29.6.2023)

Links

Facebook-Posting (archiviert)

Innenministerium zur Grundversorgung (archiviert)

Caritas-FAQ zu Flucht und Asyl (archiviert)

Gesetzestext Grundversorgungsvereinbarung (archiviert)

Wohnberatung Wien zu Sozialwohnungen (archiviert)

Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (archiviert)

PDF: Factsheet Integrationsfonds (archiviert)

Anspruchsvoraussetzungen Sozialhilfe/Mindeststicherung (archiviert)

Leistungen Sozialhilfe/Mindestsicherung (archiviert)

Details zur Mindestsicherung in Wien (archiviert)

Aussendung zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (archiviert)

GPA-Faktencheck zur Mindestsicherung (archiviert)

Auszahlung der Notstandshilfe (archiviert)

Allgemeines zur Notstandshilfe (archiviert)

Informationen zur Ausgleichszulage (archiviert)

PDF: Grundlagen Pensionssystem 2023 (archiviert)

Sozialministerium zur Alterspension (archiviert)

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