Koran hat keine Gesetzeskraft

Auch Muslime sind erst mit 18 Jahren erwachsen

27.6.2023, 16:40 (CEST)

Wer etwas fordert, sollte die gesetzlichen Grundlagen seines Themas kennen. Sonst bröckelt das Fundament der Forderung rasch.

Einige Menschen sehen andere Kulturen und Religionen als Bedrohung für ihren eigenen Wohlstand. Allgemein gültige Sozialleistungen sollten in ihren Augen nicht allen Menschen zur Verfügung stehen. Eine Internet-Nutzerin aus Österreich fordert in einem Sharepic, muslimischen Kindern sollte vom 8. Geburtstag an das «Kindergeld» gestrichen werden. Muslimische Kinder seien «nach dem Koran ab dem 9. Lebensjahr erwachsen», behauptet sie zur Begründung. 

Bewertung 

Heilige Schriften, egal welcher Religion, ersetzen in Österreich keinerlei Gesetze. Als erwachsen gilt hierzulande jeder Mensch ab dem 18. Geburtstag. Zudem gibt es in Österreich kein Kindergeld, sondern Familienbeihilfe. Sie steht auch vielen Familien mit volljähroigen Kindern zu.

Fakten

In Österreich sind Menschen mit Erreichen ihres 18. Geburtstags volljährig - und das ohne Ausnahme. Jeder Mensch ab 14 Jahren könne sein Religionsbekenntnis frei wählen. «Darüber hinaus genießen alle Staatsbürgerinnen/alle Staatsbürger dieselben bürgerlichen und politischen Rechte unabhängig von ihrem Religionsbekenntnis», heißt es auf dem Portal oesterreich.gv.at. Das war bereits im 19. Jahrhundert so. 

Kirche und Staat stehen einander demnach «gleichrangig gegenüber und erkennen ihre jeweilige Eigenständigkeit und Autonomie an». Religionsgemeinschaften haben in Österreich keinen direkten Einfluss auf die Gesetzgebung. Daher richtet sich das Erwachsenenalter ausschließlich nach dem Gesetz (§21 ABGB). Gesetzlich anerkannte Kirchen müssen weiters gleich behandelt werden und dürfen nicht diskriminiert werden.  

Muslimischen Kindern ab dem 9. Lebensjahr Zuwendungen vom Staat abzusprechen, widerspräche also der Gesetzeslage. Auch der Koran böte dafür keine Grundlage. Im Islam gibt es keinen klar definierten Zeitpunkt für den Eintritt ins Erwachsenenalter. Als erwachsen gelten Muslime mit Beginn der Geschlechtsreife, mit der auch die Ehemündigkeit beginnt. 

Daher enthalten islamische Rechtswerke auch keine Vorgaben oder konkrete Untergrenzen für das Mindestheiratsalter. Die Scharia, das islamische Recht, erlaubt die Ehe für Mädchen ab neun Jahren. In einigen Ländern basiert die Rechtsprechung auf der Scharia: In Saudi­Arabien, dem Oman, Pakistan und ­Afghanistan wird sie mit der Rechtsordnung gleichgesetzt. In Österreich liegt das Mindestalter für eine Eheschließung in Ausnahmefällen bei 16 Jahren

Nicht nur die Behauptung zum Erwachsenwerden ist unscharf formuliert, denn in Österreich wird kein «Kindergeld» ausbezahlt. Das heimische Äquivalent zum deutschen Kindergeld von 250 Euro je Kind pro Monat ist die Familienbeihilfe. Diese liegt gestaffelt nach dem Alter eines Kindes zwischen 120,60 und 174,70 Euro Grundbetrag im Monat und erhöht sich dank weiterer Zahlungen wie dem Kinderabsetzbetrag von derzeit 61,8 Euro pro Kind, sowie möglichen weiteren Beihilfen wie Schulstartgeld und Geschwisterstaffelung.

Die Familienbeihilfe endet dabei nicht mit der Volljährigkeit der Kinder. Sie wird - abhängig von einer Berufsausbildung - auch für volljährige Kinder gezahlt, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Kinder mit erheblicher Behinderung haben ein Jahr länger Anspruch darauf.

(Stand: 27.06.2023) 

Links

Sharepic auf Facebook (archiviert

Heilige Schriften der Weltreligionen (archiviert

Volljährigkeit in Österreich (archiviert

Grundrechte und Religion (archiviert

Staatsgrundgesetz vom 21. December 1867 (archiviert

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (archiviert

Artikel auf religion.orf.at (archiviert

Heiratsalter aus islamischer Perspektive (archiviert

Artikel auf kurier.at (archiviert

Informationen zur Scharia (archiviert

Heirat von Jugendlichen (archiviert

Informationen zum Kindergeld (archiviert

Familienbeihilfe im Jahr 2023 (archiviert)

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